Naturverbunden und komplett digitalisiert, das klingt nach einem Widerspruch. Die Apotheke „Fleur de Vie“ im luxemburgischen Esch sur Alzette beweist das Gegenteil. Die neu eröffnete Offizin verbindet ein digitales Allround-Konzept mit einer Spezialisierung auf Naturmedizin.
Wer die Apotheke von Inhaber Benoît Stouffs betritt, wird von einer Empfangsdame begrüßt und auf eine digitale Reise mitgenommen. Gleich zu Beginn hat man nämlich die Wahl zwischen Pager und Zettel. So kann man sich eine kleine Box aushändigen lassen, die einen benachrichtigt, wenn die Wartezeit vorbei ist und man an einem der neun HV-Tische beraten wird. „Dadurch müssen die Kunden nicht in der Schlange stehen, bis sie dran sind, sondern können sich in aller Ruhe in der Offizin umsehen“, erklärt die angestellte Apothekerin Sophie Miermont. „Und falls sie in der Zwischenzeit etwas anderes gefunden haben und sich damit noch beschäftigen wollen, können sie den Timer mit einem Tippen pausieren.“
Und auch der Zettel klingt nur im ersten Moment altmodischer: Denn man bekommt ihn an einem Touchscreen-Terminal, an dem man genau auswählen kann, wie und wozu man beraten werden möchte. So kann der Kunde eine Sprache wählen. Und da hat er eine nicht gerade kleine Auswahl, denn die Apotheker und PTA vor Ort sprechen Französisch, Deutsch, Luxemburgisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und verschiedene Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Auch in welchem Fachgebiet man beraten werden möchte, kann bereits angetippt werden, wobei unter anderem Homöopathie, Phytotherapie, Aromatherapie, Bachblüten, Nahrungsergänzungsmittel, Sport- und Tiermedizin zur Auswahl stehen. Für Stammkunden gibt es darüber hinaus noch ein weiteres Angebot: Man kann einen konkreten Mitarbeiter angeben, von dem man beraten werden möchte. Dieser wird dann per SMS informiert und widmet sich dem Kunden, sobald er verfügbar ist.
Ein wenig zu warten, schadet bei Fleur de Vie allerdings auch nicht, denn es gibt wahrlich genug zu sehen. Mit insgesamt 1200 Quadratmetern Fläche, die Hälfte davon Verkaufsraum, ist sie die größte Apotheke Luxemburgs. Und sie ist nagelneu: Erst am 5. November feierte Inhaber Benoît Stouffs die Eröffnung, nach dem es für ihn beinahe zwei Jahre hin und her ging.
Denn in Luxemburg ist nicht nur der Arzneimittelversand komplett verboten, sondern es gibt auch eine Bedarfsplanung, die die Eröffnung einer neuen Apotheke schwierig gestalten kann. Die überwiegende Mehrzahl der Apotheken im kleinen Nachbarland wird mit einer Staatskonzession betrieben. Stouffs Unternehmen gehört zur Minderheit der privaten Apotheken. Anderthalb Jahre musste er sich mit den örtlichen Behörden herumschlagen und zusammen mit seinen 15 Angestellten in einer provisorischen Offizin nur 500 Meter entfernt verbringen.
Das hat ihn nach eigenen Angaben viel Energie gekostet, denn er hatte große Pläne. Der gebürtige Belgier hat sich in mehreren Ländern nach innovativen Apothekenkonzepten umgesehen, um etwas Besonderes auf die Beine zu stellen. Die Ideen und Erkenntnisse seiner Reisen hat er dann in seinen eigenen Betrieb einfließen lassen.
Die vielleicht innovativste von ihnen ist das digitale Regal, ein mehrere Quadratmeter großer Touchscreen an der Wand. Die Apotheker oder PTA können dabei selbst wählen, welche Produkte angezeigt werden, oder einfach vorgefertigte Menüs für ein jeweiliges Indikationsgebiet laden. „Kommt ein Patient und sagt, er hat Kopfschmerzen, reicht ein Klick und im Regal vor ihm steht ein breites Sortiment an möglichen Mitteln, zu denen wir ihn dann beraten können“, erläutert Miermont. „Das ist nicht nur sehr nützlich für die Beratung, sondern auch sehr bequem für die Mitarbeiter, denn wir müssen das Regal weder nachfüllen noch sauber machen. Und es kann mehr Produkte anzeigen, als man in ein echtes füllen könnte.“
Hat sich der Kunde dann entschieden, wird es aber auch nicht komplizierter: Durch eine Berührung des jeweiligen Produkts auf dem Touchscreen schickt man nämlich den Roboter los. Im Hintergrund arbeiten gleich zwei Rowa und lassen die gewünschte Packung Sekunden später unter dem Bildschirm in eine Luke fallen. Wer vor der Produktwahl mehr Konsultation braucht, kann sich in einen der vier abgetrennten Beratungszimmer versorgen lassen. Die befinden sich in der Mitte der Apotheke unter der namensgebenden Lebensblume.
Doch nicht nur individuelle Beratung gehört zum Angebot, sondern auch Konferenzen und Infoveranstaltungen – und auch hier hat Stouffs sich nicht lumpen lassen, denn die finden in einer futuristisch anmutenden Plexiglaskuppel statt. Wie überall in der Offizin auch hier sichtbar: die Lebensblume, ein aus 19 gleichmäßig angeordneten Kreisen zusammengesetztes Symbol für den Schöpfungszyklus. Die ist laut Miermont mehr als nur ein Logo: „Es gibt hier eine Menge Spiritualität in der Apotheke, denn Herr Stouffs ist ein sehr philosophischer Mensch.“
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