Amazon

NHS bietet Sprechstunde bei Alexa

, Uhr
Berlin -

Schritt für Schritt bewegt sich Amazon in die europäischen Gesundheitssysteme: Der britische Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) hat bekanntgegeben, dass er mit dem Internetriesen kooperiert. Patienten können sich ab dieser Woche beim digitalen Assistenten Alexa eine medizinische Erstberatung holen. Dadurch sollen sowohl der NHS als auch private Ärzte entlastet werden.

Alexa werde dabei auf Informationen aus der NHS-Datenbank zurückgreifen, um eine zuverlässige Beratung zu gewährleisten, kündigte der NHS am Mittwoch an. Die Technologie helfe insbesondere älteren und blinden Patienten sowie solchen, die nicht auf traditionellem Wege Zugang zum Internet haben, professionelle und vom NHS überprüfte Informationen innerhalb von Sekunden durch einfache Sprachbefehle zu erhalten, so der Gesundheitsdienst.

„Alexa, wie behandle ich Migräne?“ oder „Alexa, was sind die Symptome einer Grippe?“ seien typische Fragen, die Alexa ab sofort beantworten könne, indem der Algorithmus auf den NHS zurückgreift. Es ist nicht das erste private Unternehmen, mit dem der NHS in dem Bereich zusammenarbeitet. Über die Firmen Notably, Babylon Health, Push Doctor und Now GP bietet er bereits Telesprechstunden mit menschlichen Ärzten an.

„Wir wollen jeden Patienten befähigen, selbst die Kontrolle über seine Gesundheitsfürsorge zu übernehmen und Technologien wie diese sind ein großartiges Beispiel dafür, wie die Menschen zuverlässige, weltweit führende NHS-Beratung mit dem Komfort des eigenen Zuhauses verbinden und dabei den Druck auf unsere hart arbeitenden Ärzte und Apotheker reduzieren können“, lobte Gesundheitsnminister Matt Hancock die neue Zusammenarbeit. Es sei Teil des langfristigen Plans des NHS, digitale Technologien stärker in die Gesundheitsversorgung einzubinden und ihre Vorteile jedem Patienten, Arzt und Pfleger zukommen zu lassen.

Die Zusammenarbeit hat in Großbritannien und darüber hinaus durchwachsene Reaktion hervorgerufen. So warf die „Times“ Hancock vor, noch vor einem Jahr in einem Interview bekannt zu haben, dass er sich selbst keine Alexa in die Wohnung stellen würde, weil er der Überzeugung sei, dass es „eine unerlässliche Menschlichkeit“ gebe, die erhalten werden müsse.

„Die hoch sensiblen Gesundheitsdaten eines nationalen Gesundheitsdienstes wie dem NHS sind ein Teil der kritischen sozialen Infrastruktur eines Landes“, kritisierte beispielsweise der KI-Experte und Technologie-Ethiker Mathana Stender. Diese Daten würden nun einem ausländischen Privatunternehmen ausgehändigt, das sowohl mit dem US-Militär zusammenarbeitet als auch Geld mit personalisierter Werbung verdient. Der Technologie-Journalist Jacob Aron wiederum nannte die Kritik an der Kooperation „lächerlich“: Bei jeder Google-Suche werde genauso mit den Daten verfahren – „und hier erhalten die Menschen wenigsten Informationen vom NHS, nicht irgendwelchen willkürlichen Suchmaschinenergebnisse“.

In Zukunft könnte die Einbindung von Alexa in die Gesundheitsversorgung noch einen Schritt weitergehen. Vergangenen Herbst wurde durch ein gewährtes Patent in den USA bekannt, dass Amazon einen KI-Algorithmus entwickelt hat, der Alexa das Erkennen von Krankheiten aus der Stimme von Nutzern ermöglicht. Dabei soll der Assistent mit der neuen Software nicht nur feststellen können, ob jemand beispielsweise hustet – was ja technisch gar nicht so aufwendig wäre – sondern auch weniger auffällige Symptome wie einen trockenen Hals wahrnehmen und den Anwender dann basierend auf der Einbeziehung weiterer Nutzerdaten beraten können. Selbst schwerwiegendere emotionale Veränderungen wie Depressionen sollen so anhand des Stimmverlaufs erkannt werden.

Durch einen Rechtsstreit mit der Apothekenkette CVS wurde darüber hinaus kürzlich bekannt, dass Amazon in den USA versucht, durch Umgehung der sogenannten Pharma Benefit Manager (PBM) direkt mit Krankenversicherern Erstattungspreise für Arzneimittel zu verhandeln. Ziel: Sie den Versicherern günstiger anbieten als die Apothekenketten. Auch in Deutschland hat Amazon schon einen Fuß im Arzneimittelmarkt: Die Kölner Kooperation Pillentaxi gab im Mai bekannt, die Erprobung eines neuen Alexa-Skills abgeschlossen zu haben. Demnach können Patienten bald über die Assistentin eine Apotheke finden, Öffnungszeiten vorlesen lassen oder auch ein Pillentaxi zur Rezeptabholung bestellen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
Apothekenpläne: Muttis meutern bei dm
Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN
Übergangspapst gesucht!

APOTHEKE ADHOC Debatte