Alexa macht jetzt Medikationsmanagement

Amazon kooperiert mit Omnicell und Apothekenkette

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Berlin -

Alle warten darauf, dass Amazon die Apothekenbranche angreift. Jetzt ist der Versandgigant erst einmal eine Kooperation mit der US-Apothekenkette Giant Eagle eingegangen – und plant nach eigener Aussage, im kommenden Jahr noch weitere Apotheken ins Boot zu holen. Ebenfalls mit an Bord ist Omnicell. Hintergrund ist ein neuer Skill des Sprachassistenten Alexa namens „Medication Management“, der seit wenigen Tagen in den USA verfügbar ist.

Auf Neben- und Wechselwirkungen kann Alexa die Medikation ihres Besitzers zwar (noch) nicht überprüfen, dafür beinhaltet der neue Skill eine Erklärung der aktuellen Medikation, die Erinnerung an die Einnahme und die Anforderung von Folgerezepten. Vorerst kommt der neue Service nur Kunden der Apothekenkette Giant Eagle zugute, die etwas mehr als 200 Filialen in den US-Bundesstaaten Pennsylvania, Ohio, Maryland, West Virginia und Indiana betreibt, aber auch im Arzneimittelversand tätig ist. Dabei soll es aber nicht bleiben. „Wir werden von diesem Launch viel lernen, diese Erfahrungen kontinuierlich weiterentwickeln und das Konzept im kommenden Jahr auf weitere Apotheken ausweiten“, kündigt Amazon in seinem Firmenblog Day One an.

Um den neuen Skill zu verwenden, benötigt der Nutzer einen Kundenaccount bei Giant Eagle, den er mit Alexa koppelt. Da es sich um äußerst sensible Daten handelt, muss eine weitere Sicherheitsstufe eingezogen werden, die mit einem Passwort verschlüsselt wird. Ist die Konfiguration abgeschlossen, kann der Skill einfach mit den Worten „Alexa, manage my medication“ gestartet werden. Der Sprachassistent erklärt dem Nutzer dann nicht nur, welche Medikamente in welcher Menge und Stärke auf seinem Medikationsplan stehen, sondern bietet auch eine Erinnerungsfunktion. Auch ohne den Reminder kann sich der Patient aber an Alexa wenden und besipielsweise fragen, welches Arzneimittel er als nächstes einnehmen soll.

Neigt sich die aktuelle Medikation dem Ende zu, kann Alexa nicht nur den Gang in die Apotheke, sondern sogar den Online-Bestellvorgang am Computer überflüssig machen. Mit dem Befehl „Alexa, refill my prescription“ wird eine Folgeverordnung ausgelöst. „Wir wollen es den Menschen einfacher machen, die Informationen zu erhalten, die sie brauchen, und ihre Gesundheitsbedürfnisse zu verwalten, während wir die Privatsphäre und Sicherheit ihrer Daten gewährleisten“, so Amazon. „Wir hoffen, dieses neue Feature ist ein Schritt in diese Richtung.“ Welche Rolle genau Onmnicell bei der Zusammenarbeit spielt, erklären die Projektpartner nicht.

Dass die Datensicherheit gewährleistet ist, hat Amazon seit dem Frühjahr von staatlicher Seite zertifiziert: Seit April ist der Konzerngemäß dem Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) lizensiert und darf dementsprechend Verträge mit Leistungserbringern und Kostenträgern abschließen. Die Zulassung ist Grundlage für eine ganze Reihe neuer Anwendungen, die Amazon in den vergangenen Monaten eingeführt hat und noch einführen will.

Diese reichen von der Suche nach einem Arzt über das pädiatrische Entlassmanagement bis zu einer Kooperation mit dem Krankenversicherer Cigna und dessen Pharmacy Benefit Manager (PBM) Express Scripts. Digna Health Today, so der Name des Skills, soll den Nutzern Gesundheitsprogramme und -ratschläge bereitstellen.

Eine weitere Anwendung ist aus einer Kooperation mit dem Health-IT-Unternehmen Livongo erwachsen: Das hat einen Skill für Diabetespatienten entwickelt, bei dem Alexa die Daten von digitalen Blutzuckermessgeräten ausliest. Der Patient muss nur fragen, „Alexa, wie waren meine Blutzuckerwerte heute morgen?“, und bekommt diese dann vorgelesen.

Dass das noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein soll, belegt ein Dokument, dass das US-Nachrichtennetzwerk CNBC im Frühjahr in die Hände bekam. Demnach hat Amazon innerhalb seiner Alexa-Abteilung unter dem Namen „Health & Wellness“ ein eigenes Team gegründet, das sich nur mit dem Scouting und der Entwicklung neuer Gesundheitsanwendungen befasst. Das 12-köpfige Team wird von der Amazon-Managerin Rachel Jiang geleitet, ihm gehört aber auch eine ehemalige Google-Managerin und ein erfahrener Ingenieur an.

Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist das Team auch damit befasst, die im Herbst 2018 patentierte Diagnose-Software von Alexa zur Marktreife zu bringen. Die „stimmenbasierte Feststellung körperlicher und emotionaler Eigenschaften von Nutzern“, so der Titel des Patients, dient dabei nicht nur der gezielten Einspielung von hoch personalisierter Werbung für OTC- oder Freiwahlprodukte, sondern zielt mittelfristig auch auf die Arzneimittelberatung. Mittels KI können bereits Bagatellkrankheiten wie Erkältung erkannt werden, der Algorithmus soll aber in Zukunft auch in der Lage sein, schwerere Indikationen wie psychische Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen verlässlich zu erkennen und sogar schon Empfehlungen auszusprechen, bevor ein Nutzer akut erkrankt ist – indem aus persönlichen Informationen und Umgebungsdaten Rückschlüsse und darauf aufbauend Prognosen abgeleitet werden.

Parallel dazu baut Amazon seinen Arzneimittelversand aus: Nicht nur nehmen mittlerweile auch Apothekenketten wie Health Mart an Amazons Programm „Counter“ teil – dienen also als Abhol-Filialen für bestellte Pakete. Auch Pillpack selbst wird derzeit offenbar massiv erweitert. Seit Monaten finden sich auf der Internetpräsenz der Blister-Versandapotheke stets um die 50, gesucht wird so ziemlich alles von Apothekern über Programmierer bis zu Finanzmanagern.

Zwar schlägt dem Konzern unerwartet viel Gegenwind ins Gesicht. Doch herrscht nun bei den Wettbewerbern in der Branche große Sorge, dass Amazon kurz davorstehen könnte, alle diese Inseln – Arzneimittelbestellung und -versand, Krankenversicherung, Telemedizin, Diagnose, Rezept- und Medikationsmanagement über Alexa – zusammenzuführen. Grund zur Sorge ist die jüngste Akquisition des Versandkonzerns. Der hat nämlich nach Pillpack zum zweiten Mal im Gesundheitssektor zugekauft, jedoch weder eine Apotheke, noch einen Versicherer oder gar Großhändler, sondern Health Navigator – ein Softwarehaus, das Schnittstellen im Gesundheitswesen entwickelt.

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