Salzlösung als Impfbegleitung

Ärzte: „Apotheken geht es nur um OTC-Verkauf“

, Uhr
Berlin -

Der Streit um Impfungen in der Apotheke in Österreich erreicht ein neues Level: Die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) kritisiert Apothekerkammer-Präsidentin Dr. Ulrike Mursch-Edlmayer für das Angebot von Salzlösungen zur Begleitung der Corona-Impfung in ihrer Apotheke. Die Mediziner:innen nehmen dies zum Anlass, um Apotheken bezüglich der Covid-19-Immunisierung in der Offizin generell zu disqualifizieren. Die Apothekerkammer rechtfertigt das Angebot.

In Österreich wird darüber debattiert, ob Corona-Schutzimpfungen auch in Apotheken angeboten werden sollen. Österreichs neuer Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein (Die Grünen) erteilte der Idee zuletzt eine Absage. Zuvor hatte Mursch-Edlmayr bereits im April auf das „akademisch ausgebildetes Personal“ hingewiesen, in Webinaren wurde bereits zum Thema geschult, bis die Ärzteschaft das gerichtlich untersagen ließ.

Vergangene Woche wurde die Diskussion mit einem Bericht des „Standards“ neu entfacht. In einem Artikel wurde auf ein Angebot der Steyrtal Apotheke von Mursch-Edlmayr hingewiesen, wonach bei Impfnebenwirkungen zu Salzlösungen der Firma Top Drop geraten werde. Die Produkte sind der Firma zufolge neu im Sortiment. „Unsere Impfbegleitungen werden aufgrund neuer Technologien laufend weiterentwickelt. Sie unterstützen das Immunsystem und Energiefeld des Menschen bei den unterschiedlichen Herausforderungen im Rahmen einer Impfung“, wirbt das Unternehmen im Internet.

Bei der Österreichischen Ärztekammer reagierte man „fassungslos“: „Ich bin enttäuscht, dass die Apothekerkammerpräsidentin trotz ihrer verantwortungsvollen Aufgabe hier den evidenzbasierten Boden verlässt“, sagte Präsident Dr. Thomas Szekeres. Seit über einem Jahr werde gegen eine Pandemie gekämpft – für eine „möglichst hohe Durchimpfungsquote und vor allem gegen Fake-News und Verschwörungstheorien. Wir fordern eine umgehende Klarstellung der Apothekerkammer zur Aufklärungsqualität in Apotheken“, so Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart.

Das Thema Impfen in Apotheken habe sich damit nun endgültig erledigt, so Steinhart. „Es tritt nun klar zutage, dass es den Apotheken nur um den Verkauf von OTC-Produkten geht. Wir brauchen keine Geschäftemacherei, sondern solide Medizin und die Impfung bei Ärztinnen und Ärzten. Vielmehr braucht es die zuverlässige Grundversorgung mit den notwendigsten Medikamenten bei niedergelassen Ärztinnen und Ärzten, damit man sich unnötige Wege erspart.“

Mursch-Edlmayr will sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Der Apothekerkammer zufolge ist es Apotheken grundsätzlich nicht verwehrt, neben dem wissenschaftlich abgesicherten Gesundheitsangebot auch komplementärmedizinische Produkte zu führen. „Wobei aber natürlich das wissenschaftlich anerkannte Leistungsspektrum der Apotheke im Vordergrund stehen muss“, sagt ein Sprecher. „Speziell an Apotheken wenden sich immer wieder Kundinnen und Kunden mit Fragen zu komplementärmedizinischen Produkten, von denen sie sich eine Erhöhung ihres Wohlbefindens und ihrer mentalen oder spirituellen Kräfte erhoffen. Wesentlich ist dabei, dass die Apotheke ihre Kundinnen und Kunden über diese Produkte und deren Anwendungsbereich ausführlich berät, sodass diese auf Basis einer objektiven Aufklärung eine selbstbestimmte Kaufentscheidung treffen können.“

In Beratungsgesprächen ergebe sich dabei mitunter die Notwendigkeit, die Kund:innen an Ärzt:innen zu verweisen, oder im Rahmen der betreuten Selbstmedikation die Anwendung von Arzneimitteln zu empfehlen. „Selbstverständlich ist uns bewusst, dass die Wirksamkeit komplementärmedizinischer Produkte ein Punkt ist, der in der Bevölkerung und in Fachkreisen äußerst kontroversiell diskutiert wird. Es erklärt sich von selbst, dass komplementärmedizinische Produkte unter keinen Umständen als Ersatz oder Alternative zu Arzneimitteln mit wissenschaftlich belegter Wirksamkeit empfohlen werden können, sondern jegliche Therapie nur ergänzen. Dies wird durch die Abgabe über Apotheken und die damit verbundene Beratung sichergestellt.“

Die Produkte von Top Drop werden in der Apotheke von Mursch-Edlmayr angeboten. Bei Fragen solle man sich an die Firma wenden, heißt es dort. Die Firma Top Drop verweist im Internet auf das Team aus Apotheker:innen im Bereich Produktentwicklung. „Aus der Überzeugung, dass die Energiemedizin die Basis für ein gesundes Leben darstellt, bieten wir eine breite Palette von komplementärmedizinischen Produkten an. Diese sind quantenphysikalische Frequenzen in Form von Salzlösungen und Sprays“, heißt es im Internet.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
294 Euro für alle – mit Ausnahmen
Berlin: Eine Stelle für den Kammerbeitrag
Mehr aus Ressort
Tausende Filialen schließen
USA: Kahlschlag bei Apothekenketten
2500 Packungen illegal nach China verkauft
Paxlovid: Apothekerin aus Innsbruck angeklagt
Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben
Krankenkasse rechnet mit Milliardenverlusten

APOTHEKE ADHOC Debatte