Ärger um Hoden im Apothekenschaufenster APOTHEKE ADHOC, 08.11.2017 13:40 Uhr
Darf man mit lebensecht anmutenden Hoden in der Auslage für die Krebsvorsorge werben? Die Schaufensterdekoration einer Apotheke erregt gerade die Gemüter in der englischen Kleinstadt Ivybridge.
Auf ein rotes Kissen mit goldfarbenen Fransen drapiert ist das täuschend echt anmutende Modell eines Hodens. Ein Zettel darüber richtet sich vor allem an die Männer unter den Apothekenkunden und vorbeigehenden Passanten: „Wie gut gibst du auf deine Kronjuwelen acht?“ Umrahmt wird die Deko mit Flugblättern, die den bekannten Slogan „Keep calm and carry on“ drastisch, aber themengerecht abwandeln: „Keep calm and check your balls“ (entspricht im Deutschen etwa einem „Bewahre die Ruhe und check deine Eier“). Wer mehr wissen will, für den liegen Informationsmaterialien in der Offizin bereit.
Ersonnen hat sich die Aktion die Day Lewis Pharmacy im östlich von Plymouth gelegenen 12.000-Einwohner-Ort Ivybridge. Zum Movember-Aktionsmonat will Apothekenmanagerin Lynda Kelley einen Akzent zur Vorsorge setzen. „Wenn es eine Krebsart gibt, der vorgebeugt werden kann, müssen wir die Botschaft weiterverbreiten“, sagte Kelley dem Onlineportal Metro. „Unsere Zielgruppe sind vor allem jüngere Männer.“ Die Aktion entstand in Zusammenarbeit mit „It’s in the Bag“, einer Selbsthilfeorganisation, die Männer mit Prostatakrebs unterstützt und sich für die Prävention stark macht.
Das Schaufenster habe großen Anklang gefunden, so Kelley: „Uns wurde gesagt, dass wir so eine größere Aufmerksamkeit für das Thema wecken als mit einem herkömmlichen Plakat.“ Doch nicht alle Einwohner hätten die Begeisterung geteilt: Nur wenige Tage nach Einweihung der Auslage sei eine Beschwerde eingegangen. Vorbeigehende Kinder könnten Schaden nehmen, so der Vorwurf.
Kelley traf das nach eigenem Bekunden sehr, sei doch ihre Mutter vor zehn Jahren an Lungenkrebs gestorben. „Ich habe geweint, als ich davon hörte, ich denke an meinen Verlust und was jemand anderes durchmacht, der jemanden an den Krebs verliert.“ Dann sei sie wütend, dass jemand Anstoß an einem kleinen Hoden nehme, der ein Leben retten könne.
Größere Auswirkungen auf den örtlichen Nachwuchs habe sie nicht wahrgenommen: „Die Kinder kommen nach der Schule an unserer Apotheke vorbei, und ja, sie lachen über die Dekoration, aber vielleicht nimmt einer der Jungen die Botschaft mit und checkt sich selbst.“ Geplant sei, die Auslage bis Ende des Monats so zu belassen. Doch sollte es zu weiteren Klagen kommen, werde man wohl dazu gezwungen sein, das Schaufenster früher umzugestalten, meinte Kelley.
Der Ausdruck „Movember“ ist eine Mischung aus den englischen Wörtern Moustache und November. Seit mehr als zehn Jahren werden im Zeichen des Schnurrbarts in diesem Monat weltweit Spenden zugunsten der Männergesundheit gesammelt. Im Fokus stehen psychische Beeinträchtigungen und die Prävention von Suiziden und von Prostata- und Hodenkrebs. Den Aktionsmonat initiiert hat die Movember Foundation. Nach eigenen Angaben hat sie seit ihrer Gründung 2003 weltweit mehr als 1200 Projekte gefördert. 5,3 Millionen „Mo Bros“ und „Mo Sistas“ in zuletzt 20 Ländern haben mit geholfen, 542 Millionen Euro zu sammeln.