Alzheimer-Zulassung in der Kritik

Aducanumab: 9 Jahre Zeit für Wirksamkeitsbeleg

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Berlin -

Die Zulassung von Aduhelm (Aducanumab, Biogen) in den USA kam überraschend. Die FDA ließ den Antikörper zu – die Hoffnung zahlreicher Patient:innen war geweckt. Doch eine tatsächliche Wirksamkeit bestätigte die US-Arzneimittelbehörde nicht. Stattdessen forderte sie vom Hersteller die Nachreichung weiterer Studienergebnisse – hierfür hat Biogen neun Jahre Zeit.

Rund 20 Jahre gab es keine Zulassung innerhalb der Indikation Alzheimer. Immer wieder gab es Meldungen über Wirkstoffkandidaten in der Phase-I, die dann doch nicht überzeugten. In keinem anderen Indikationsgebiet scheitern klinische Studien so oft wie im Bereich der Alzheimer-Forschung. Das liegt vielleicht auch daran, dass Mediziner:innen und Forscher:innen sich bislang nicht einig sind, wie die Krankheit überhaupt entsteht. Im Mittelpunkt dieser Diskussion finden sich immer die sogenannten Amyloid-Ablagerungen. Doch ob diese der Auslöser für die Symptomatik oder nur eine Begleiterscheinung des Morbus Alzheimer sind, darüber streitet sich die Wissenschaft.

Umso spektakulärer die Meldung über die Zulassung von Aduhelm (Aducanumab, Biogen) Anfang Juni durch die FDA. Der Wirkmechanismus des Antikörpers beruht darauf, dass er sich gegen die für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Beta-Amyloid-Eiweiße richtet. Aus diesen bestehen die Ablagerungen im Gehirn, die sogenannten Plaques, die mit der Zerstörung der Nervenzellen in Verbindung gebracht werden.

FDA bestätigt nicht die Wirksamkeit von Aducanumab

Die Zulassung von Aducanumab beruht nicht auf dem Nachweis eines Nutzens für den Patienten – die Wirksamkeit konnte in den zwei eingereichten zulassungsrelevanten Studien nämlich nur bedingt nachgewiesen werden. Innerhalb der einen Studie konnte keine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Innerhalb der zweiten Studie fiel der positive Effekt auf den kognitiven Zerfall gering aus. Die Zulassung wird mit dem Argument begründet, dass der Nutzen des Medikamentes für den Patienten höher sei als der Schaden. In der Stellungnahme der FDA wird die Wirksamkeit von Aducanumab nicht bestätigt.

Alles deutet darauf hin, dass der primäre Endpunkt der Phase-III-Studie – die Verlangsamung des kognitiven Zerfalls – nicht erreicht wird. Der positive Effekt fiel gering aus: 2019 wurden die beiden Studien aufgrund der geringen Erfolgsaussichten gestoppt. Danach erfolgte eine zweite Analyse der Daten und nun die Zulassung – unter Auflagen. Demnach ist die Zulassung an die Bedingung geknüpft, eine weitere Wirksamkeitsstudie anzuschließen. Um weiterhin verkehrsfähig zu bleiben, muss diese positiv ausfallen und eine Wirksamkeit belegen. Hierfür gewährt die FDA Biogen neun Jahre Zeit. Der Abbau der Amyloid-Plaques reicht vorerst aus, um auf den Markt zu kommen.

Im November vergangenen Jahres sprach sich ein FDA-Komitee gegen eine Zulassung von Aducanumab aus. Die Daten der ihnen vorliegenden, damals noch nicht beendeten Studien erschienen zwar positiv, mit Sicherheit lasse sich das aber nicht sagen, hieß es von den Fachleuten.

Die Suche nach einem Mittel gegen die bislang nicht aufhaltbare Krankheit ist schwierig. Auch Roche (Gantenerumab) und Lilly (Solanezumab) konnte im vergangenen Jahr keine positive Studienergebnisse vorlegen. Und auch hier könnte es einen Kurswechsel bei der FDA geben, denn Solanezumab verfolgt einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Aducanumab.

Keine falschen Hoffnungen wecken

Fachgesellschaften sehen die Zulassung kritisch. So äußert sich die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) wie folgt: „Wir begrüßen die Entscheidung der FDA, den Alzheimer-Wirkstoff Aducanumab unter der Voraussetzung zuzulassen, dass der Hersteller Biogen eine weitere Studie zur Wirksamkeit des Medikamentes vorlegt. Das ist folgerichtig, denn die bisherigen Ergebnisse, die Biogen vorgelegt hat, waren nicht eindeutig und haben zu viele Fragen offengelassen. Unstrittig ist zwar, dass Aducanumab wirksam die alzheimerspezifischen Eiweiß-Ablagerungen aus Beta-Amyloid im Gehirn entfernt. Ob damit aber die kognitiven Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten substanziell verbessert werden, konnten die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden bisherigen Phase-3 Studien nicht zufriedenstellend belegen. Biogen muss jetzt nachlegen und mit der gebotenen Sorgfalt in einer weiteren Studie die noch offenen Fragen klären. Mit der Zulassung sollten keine falschen Hoffnungen geweckt werden.“

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