Als 1998 mit Viagra die erste Tablette gegen erektile Dysfunktion eingeführt wurde, standen die Männer erst beim Urologen und dann in der Offizin Schlange. Der kanadische Hersteller Valeant hat jetzt mit Addyi (Flibanserin) ein Sexualstimulans für die Frau auf den Markt gebracht und auf einen ähnlichen Erfolg gehofft. Doch „Pink Viagra“ liegt wie Blei in den Regalen.
Seit mehr als vier Wochen können sich Frauen in den USA die rosafarbenen Tabletten vom Arzt verschreiben lassen. Die Bilanz ist für den Hersteller ernüchternd: In weniger als 300 Fällen ist Addyi laut Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg Mittel der Wahl gewesen. Noch im August, kurz vor der Marktführung, hatte Valeant für die Firma, die außer Addyi keine weiteren Präparate vertreibt, rund eine Milliarde US-Dollar gezahlt.
Für den Konzern kommt die Katastrophe auch noch zur Unzeit: Das Image des Herstellers ist nach dem Skandal um manipulierte Umsätze und Phantomapotheken auf einem Tiefpunkt, was sich auch im Börsenkurs niedergeschlagen hat: War eine Aktie im August noch 243 Euro wert, sackte der Kaufpreis zwischenzeitlich auf 66 Euro ab.
Flibanserin war eine Entdeckung von Boehringer Ingelheim. Der deutsche Konzern hatte nach neuen Antidepressiva geforscht und war dabei auf den Wirkstoff gestoßen. Boehringer konnte seinerzeit jedoch die US-Zulassungsbehörde FDA nicht überzeugen und verkaufte sein Patent an Sprout Pharmaceuticals. Der US-Hersteller konnte die FDA doch noch von „Pink Viagra“ überzeugen.
Flibanserin steigert das sexuelle Verlangen der Frau. Der Wirkstoff interagiert mit bestimmten Subtypen von Serotoninrezeptoren und bewirkt eine Senkung von Serotonin sowie eine Erhöhung von Dopamin und Noradrenalin in bestimmten Gehirnarealen. Bis die Anwenderin erste Effekte spüren kann, muss sie die Filmtablette täglich über mehrere Wochen einnehmen. Forscher kritisieren die geringe Wirksamkeit.
Lediglich bei einer von zehn Anwenderinnen komme es zur Besserung der Beschwerden. Laut Untersuchungen der FDA haben Frauen, die „Pink Viagra“ jeden Tag einnehmen, im Schnitt maximal einmal mehr Sex pro Monat.
Zu den unerwünschten Wirkungen von Addyi gehören Müdigkeit, Übelkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen und Schwindel. Einige Studienteilnehmerinnen berichteten auch von Angstzuständen und Mundtrockenheit. Dass das Gesamtpaket die Frauen nicht überzeugen würde, prophezeite laut Bloomberg-Meldung die Sexualtherapeutin Leonore Tiefer von der New York University in einem Interview mit der „New York Times“: „Die vielen Schwierigkeiten in der Anwendung werden es nicht wert sein“, verkündete die Expertin bereits vor der Markteinführung.
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