Polypharmazie-Projekt

43 Prozent der Medikamente verzichtbar

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Berlin -

Drei Viertel der österreichischen Alters- und Pflegeheimbewohner nehmen täglich mehr als fünf Wirkstoffe ein. Polymedikation werde zunehmend zum Problem, warnen Experten und präsentierten das Projekt Gemed (Multiprofessionelles Geriatrisches Medikationsmanagement), das Abhilfe verspricht. Demnach sind 43 Prozent der Medikamente verzichtbar.

Von Oktober 2016 bis Dezember 2017 wurden im Rahmen des Projektes in Seniorenheimen im Raum Salzburg 611 Bewohner und ihre Medikationen genauer unter die Lupe genommen. Geriatrisch geschulte Apotheker führten dabei monatlich Medikationsanalysen durch. Zusätzlich beobachteten die Pflegefachkräfte die Bewohner und protokollierten etwaige Zustandsveränderungen, die im Zusammenhang mit einem Arzneimittel stehen könnten. Bei regelmäßigen Treffen erfolgte eine gemeinsame Bewertung von Ergebnissen und Beobachtungen. Anschließend wurden Empfehlungen an die betreuenden Ärzte ausgesprochen.

Das Ergebnis nach zwölf Monaten: Bei knapp 35 Prozent der Heimbewohner gaben die Apotheker insgesamt 502 Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation ab. In 121 Fällen war eine unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung der Grund. Unter anderem sollen Kognitionsstörungen, Erbrechen, Durchfall, Blutdruckabfall, Elektrolytstörungen sowie Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion aufgetreten sein. „Im Schnitt nehmen die Seniorenheimbewohner, die wir in Gemed betreut haben, knapp elf verschiedene Wirkstoffe ein“, sagte Diemut Strasser, Projektleiterin und Apothekerin in Bad Gastein. Damit steige die Gefahr von gefährlichen Wechsel- und vor allem Nebenwirkungen stark an.

In 43 Prozent der Fälle haben Apotheker den behandelnden Ärzte empfohlen, das Medikament abzusetzen. Zu weiteren Maßnahmen zählten eine Dosisreduzierung (23 Prozent), Monitoring und Austausch des Arzneimittels gegen ein anderes. Fast zwei Drittel der Empfehlungen sollen von den behandelnden Ärzten tatsächlich beherzigt worden sein. Dafür verzichteten sie bei einem Viertel der von Apothekern empfohlenen Maßnahmen auf Umsetzung.

Der Großteil der Bewohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen leidet unter mehreren chronischen und auch akuten Erkrankungen und nimmt daher regelmäßig Medikamente ein. Drei Viertel davon nehmen nach Angaben der Österreichischen Apothekerkammer (ÖAK) täglich über fünf Wirkstoffe gleichzeitig. Bei rund 43 Prozent sollen es sogar über zehn Wirkstoffe sein.

Gerade Pflegeheimbewohner sind auf Grund ihrer gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen besonders empfindlich für unerwünschte Arzneimittelereignisse wie Schwindel, Stürze oder Verwirrtheit. Oft geht es den Betroffenen so schlecht, dass sie eine ärztliche Behandlung oder die Einweisung ins Krankenhaus benötigen. Mehr als die Hälfte dieser Vorfälle lässt sich durch die an die Bedürfnisse von Senioren angepasste Anwendung von Arzneimitteln vermeiden oder zumindest abschwächen, betonte Apothekerin Dr. Elisabeth Kretschmer, eine der beiden Projektleiterinnen.

Insgesamt bewerten alle beteiligten Gesundheitsberufe die Zusammenarbeit positiv. Nach Angaben der Initiatoren würden sich 70 Prozent der Apotheker, 93 Prozent der Pflegefachkräfte und 60 Prozent der Ärzte eine Weiterführung des Projekts wünschen. In den Salzburger Heimen soll da Projekt nun für ein weiteres Jahr fortgeführt werden. Damit das Projekt auch auf andere Regionen ausgeweitet werden kann, müsse dagegen ein entsprechendes Honorar sichergestellt werden, betonten die Projektleiterinnen. Denn die Kosten für das Salzburger Pilotprojekt beliefen sich auf rund 240.000 Euro. Den Löwenanteil stellte die ÖAK, rund 80.000 Euro kommen vom regionalen Förderverein Leader Pongau.

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