Pilotprojekt in Großbritannien

15 Euro pro Beratung: Darf‘s statt dem Arzt ein Apotheker sein?

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Berlin -

Es muss nicht immer ein Arzt sein. Patienten in der im Nordosten Großbritanniens gelegenen Gemeinde South Tyneside sollen bei einigen Krankheitssymptomen jetzt schneller medizinische Hilfe bekommen – in der Apotheke.

Die Idee: Statt tagelangem Warten auf den Arzttermin lieber gleich mit einem festen Termin zu den Spezialisten in die Apotheke. Das Pilot-Projekt heißt „GP2Pharmacy initiative“, zehn Apotheken nehmen derzeit daran teil, 20 weitere sollen hinzukommen. Das staatliche britische Gesundheitssystem (NHS) ist seit Jahren überlastet. Die Experten suchen nach Auswegen, einer davon könnte die neue Initiative sein. Bei kleinen Leiden wie zum Beispiel Erkältung, Husten, leichten Hautproblemen, Ekzemen oder Psoriasis sollen die Patienten erst in die Apotheke. Die Beratungen finden in extra Räumen statt, sodass die Diskretion gewahrt wird.

Die Patienten sollen schnell einen Termin zur medizinischen Beratung bekommen, im Idealfall schon am selben Tag. Ein Anruf genügt, die Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung übernehmen die Organisation des Termins. Sie schätzen im Telefongespräch die Schwere der Erkrankung ein und entscheiden, ob sie den Patienten in die Apotheke oder zum Arzt schicken. Die Patienten werden nicht gezwungen, den Service des Pilotprojektes zu nutzen. Wer darauf besteht, lieber einen Arzttermin zu bekommen, kann dies tun, muss dann allerdings längere Wartezeiten in Kauf nehmen.

Die Patienten können, sofern diese beim Pilotprojekt mitmacht, die Apotheke ihrer Wahl bestimmen. Die Kosten des Pilotprojekts liegen bei 100.000 Pfund (umgerechnet rund 115.000 Euro). Die Finanzierung erfolgt durch die South Tyneside Clinical Commissioning Group (CCG).

Pro Beratungstermin erhalten die Apotheker 13 Pfund (rund 15 Euro). Geplant sind bis September diesen Jahres rund 8000 Beratungstermine. die Teilnahme der Apotheken erfolgt auf freiwilliger Basis. Im Gemeindegebiet South Tyneside, das zur Grafschaft Durham gehört, leben rund 148.000 Menschen.

Der britische Gesundheitsdienst NHS wirbt schon seit einiger Zeit dafür, Apotheken als erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen aufzusuchen, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Louise Lydon, Geschäftsführerin des LPC (Gateshead and South Tyneside Local Pharmaceutical Committee) sagte dem „The Pharmaceutical Journal“: „Die lokalen Apotheker sind erfreut über den neuen Service.“ Im Laufe des Jahres soll das Pilotprojekt auf weitere Teile Großbritanniens ausgeweitet werden.

Der britische Gesundheitsdienst NHS versuchte bereits im vergangenen Jahr, die Bürger in England zum Gang in die Apotheke zu motivieren. Bei kleineren Beschwerden solle man nicht die Arztpraxis aufsuchen, sondern sich an seinen lokalen Apotheker wenden, so der Tenor der Kampagne „Stay Well Pharmacy“. Bis zu 850 Millionen Britische Pfund im Jahr könnte der Steuerzahler so laut NHS sparen.

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