DocMorris will künftig E-Rezepte abgreifen – die Gematik-App soll dabei umgangen werden. Damit bewegt sich der Versender rechtlich auf sicherem Terrain, denn obwohl für den Versand von E-Rezept-Token aus der Gematik-App hohe Sicherheitsanforderungen gelten, dürfen Drittanbieter-Apps die Codes einlesen und auch ohne Authentifizierung der Nutzer weiterleiten.
Die E-Rezept-App der Gematik soll eigentlich der Gatekeeper für elektronische Verordnungen sein: Wer beim Arzt den digitalen Weg wählt, kann sich seine Verordnung in die Gematik-App schicken lassen – um dann in der App die Verordnungsdaten einzusehen oder aber das Rezept an eine Vor-Ort- oder Versandapotheke zu senden, muss sich umständlich über eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit NFC-Funktion authentifizieren, deren Freischaltung bei der Krankenversicherung beantragt werden muss.
Doch es geht auch einfacher, viel einfacher sogar: Denn wer sich den E-Rezept-Token in der Praxis ausdrucken lässt – und Experten gehen davon aus, dass das noch lange um die 90 Prozent der Patienten sein werden – kann den Token auch über Drittanbieter-Apps einscannen und dann einfach weiterversenden. „Stand heute erwarten wir, dass 90 Prozent der Patienten ihre E-Rezepte als Ausdruck erhalten und weniger als 10 Prozent über die E-Rezept-App der Gematik“, erklärte am Mittwoch auch DocMorris-Deutschlandchef Walter Hess beim Investoren-Tag von Zur Rose. „Deshalb erwarten wir, dass uns die allermeisten Patienten ihre E-Rezepte übermitteln, indem sie bequem den Token vom Ausdruck abscannen. In jedem Fall sind wir bereit, die E-Rezept-Token zu empfangen.“
DocMorris sei „in engem Austausch mit der Gematik“, um Feedback und Erwartungen zu kommunizieren und so „eine möglichst nahtlose Customer Journey“ auch von der Gematik-App zu DocMorris zu gewährleisten, so Hess. Die Detailregelungen zum Export elektronischer Verordnungen aus der Gematik-App, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit einer bald erwarteten Rechtsverordnung zum Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) auf den Weg bringen will, rücken damit in den Hintergrund. Denn es ist davon ausgehen, dass die absolute Mehrzahl der Patienten ohnehin ihren Papierausdruck verwenden wird – allein schon, weil kaum ein Versicherter die NFC-Funktion seiner eGK freigeschaltet hat.
„Genau gegen diese Möglichkeit habe ich die letzten Monate leider erfolglos gekämpft, denn dadurch ist die Gatekeeper-Funktion der Gematik-App hinfällig“, erklärt Apotheker Ralf König, der mit dem Health Innovation Hub das BMG in Digitalisierungsfragen berät. „Deshalb war meine Forderung seit jeher, dass es eine formulargebundene und eine rein digitale Version des E-Rezepts gibt. Ich kann ja auch keinen Fahrschein im ÖPNV einfach abfotografieren und dem Schaffner zeigen.“ Hoffnung, dass spätere Regelungen die Lücke bald schließen könnten, hat König nicht. „Nachdem wir kein Formular haben, ist das Thema durch. Der Verzicht auf ein Formular war das entscheidende Kriterium, weshalb wir dieses Tor jetzt auch nicht mehr mit einer Rechtsverordnung schließen können.“
DocMorris kann damit kraft seines Kapitals seine App in den Markt drücken und darauf spekulieren, dass die meisten Patienten sie so nutzen, wie erwartet. Die Kapitalgeber teilen die Einschätzungen von Hess offensichtlich: Im Anschluss an den Investoren-Tag stieg der Kurs der Zur-Rose-Aktien um über 6 Prozent.
Und lange warten wird DocMorris nicht. „Wir sind bereit für die ersten E-Rezepte, die ab dem 1. Juli aus Berlin und Brandenburg kommen“, so Hess am Mittwoch. Nicht zuletzt die Einbindung in die Entwicklung des E-Rezepts und dessen Erprobung über die Schwesterfirma eHealth-Tec haben den Versender in eine komfortable Position gebracht. „Das Gute ist, dass wir in den Pilotprojekten mit der Techniker Krankenkasse und anderen vor der Gematik-Phase schon eine Menge lernen und Erfahrung sammeln konnten, was in den Frontend- und Backend-Systemen zur Verarbeitung elektronischer Rezepte benötigt wird.“
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