Nach der Coronapandemie könnte der Telemedizin mit der Einführung des E-Rezepts der nächste Boom bevorstehen. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland Videosprechstunden erst nutzen, wenn sie die Möglichkeit haben, auch möglicherweise ausgestellte Verordnungen digital zu erhalten. Auch hat eine große Mehrheit der Befragten die Hoffnung auf eine Verbesserung der Behandlung, weil Ärzt:innen nach Einführung des E-Rezepts mehr Zeit für sie haben.
Mit 68 Prozent hoffen fast sieben von zehn Menschen in Deutschland, dass Ärzt:innen künftig mehr Zeit für ihre Behandlung haben, weil durch das E-Rezept Abläufe effizienter werden und sich der Papierkram verringert. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Consumerfieldwork im Auftrag des Kommunikationsdienstleisters Socialwave.
Die Hoffnung dürfte enttäuscht werden: Auch wenn komplett digital versendete Rezepte für Patient:innen mangels Muster-16-Rezept nach weniger Bürokratie aussieht, dürfte sich der Aufwand für die große Mehrheit der niedergelassenen Ärzt:innen nicht verändern oder gerade zu Beginn sogar steigen. Schließlich müssen sie Verordnungen künftig in ihren Praxisverwaltungssystemen ausstellen und die Token dann digital an die Patient:innen senden – oder aber es ausdrucken und aushändigen, was zum selben Aufwand führt wie bisher.
Es sei denn, die Telemedizin würde künftig einen so großen Teil der Versorgung auf sich vereinen, dass die Wartezimmer spürbar leerer werden. Genau das scheint für sehr viele eine realistische Erwartung zu sein: Knapp 78 Prozent gaben an, dass sie mit dem E-Rezept die Hoffnung verknüpfen, künftig auf weniger volle Wartezimmer zu stoßen. Mit 79 Prozent genauso viele sehen einen wesentlichen Vorteil darin, dass durch die Digitalisierung des Rezeptsystems weniger Praxisbesuche notwendig werden.
Einen Beitrag dazu leisten könnte die Ausstellung von Folgerezepten, die künftig auf Anfrage komplett digital möglich sein soll. Diese E-Rezepte könnten in der App bereitgestellt werden, ohne dass ein physischer Praxisbesuch notwendig wäre. „Wenn nur ein Bruchteil der mehr als 400 Millionen Papierrezepte, die jährlich in Deutschland ausgestellt werden, keinen Arztbesuch mehr nach sich ziehen, bedeutet das eine enorme Entlastung für Praxen und Wartezimmer“, sagt Socialwave-Geschäftsführer Felix Schönfelder. Er rechnet nach eigenen Angaben mit einem Schub für die gesamte Telemedizin durch die flächendeckende Einführung im vierten Quartal.
Der von Socialwave in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge scheint zumindest die Bereitschaft der Befragten diese Erwartung zu stützen. So gaben knapp 72 Prozent der Befragten an, dass sie einen virtuellen Arztbesuch in Betracht ziehen, wenn das Rezept und die Krankschreibung ebenfalls digital bezogen werden können. Bisher sei die Bereitschaft bedeutend geringer: Mit 19 Prozent würde demnach aktuell ohne diesen Zusatznutzen im Krankheitsfall nicht einmal jede:r Fünfte ärztliches Fachpersonal per Videoschalte konsultieren.
„Das E-Rezept schafft gewissermaßen die Grundlage für eine durchgängige telemedizinische Behandlung. Es ist geradezu paradox, für einen rein formalen Akt wie eine Rezeptausstellung eine physische Präsenz zu verlangen, wenn die Sprechstunde vorher digital abgehalten wurde“, so Schönfelde. Die Pandemie und die dadurch einhergehende Angst vor einer Ansteckung habe den aus rechtlicher Sicht notwendigen Gang in die Praxis noch einmal grotesker wirken lassen.
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