EPatient Survey

Telemedizin-Rausch hält an, Medikamenten-Apps verlieren

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Berlin -

Ds Wachstum der Telemedizin hält auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie ungebrochen an: Allein seit Herbst hat sich die Zahl der Online-Sprechstunden mehr als verdoppelt. Zu diesem Ergebnis kommt der diesjährige EPatient Survey. Demnach zeigt sich allerdings auch eine Schattenseite: Sie kommt vor allem denjenigen zugute, die am wenigsten von ihr profitieren.

Rund jeder zehnte Bürger in Deutschland hat bereits eine Video-Sprechstunde wahrgenommen. Vor einem halben Jahr waren es mit 4,6 Prozent nicht einmal halb so viele. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle EPatient Survey, bei dem zweimal jährlich 5000 Bürger und Patienten zu ihrer Nutzung von digitalen Gesundheits- und Medizinanwendungen quotiert für die deutsche Bevölkerungsstruktur befragt werden. Auch die chat- oder videobasierte Konsultation mit nicht ärztlichen Fachberufen, wie Hebammen oder Physiotherapeuten nimmt demnach zu und liegt derzeit bei 5 Prozent. Allerdings hat die Telemedizin nach wie vor eine ganz klare Zielgruppe: Mehr als drei von vier Nutzern sind eher urbane Akademiker mit weniger chronischen Diagnosen. Gerade dort, wo die Telemedizin oft als am nützlichsten beworben wird, kommt sie also weniger an.

„Der Rückgang von Arztbesuchen vor Ort durch den Lockdown trifft chronische Patienten und bildungsferne Schichten besonders. Denn vor allem bessergestellte Bevölkerungsgruppen mit meist nur akuten Beschwerden konsultieren während des Lockdowns den Arzt online“, erklärt das Marktforschungsunternehmen EPatient Analytics, das hinter der Umfrage steht. „Die Schere zwischen chronischen und weniger digital affinen Patienten und den digital fitten Milieus mit dem Arzt auf ihrem Smartphone wächst.“ Eine Lösung für dieses Dilemma seien Hybridszenarien für Digital Health, also die Integration der Gesundheits-App am Point of Care vor Ort.

Wie in anderen Bereichen im Sektor Digital Health könne Deutschland auch hier von anderen europäischen Ländern lernen, die schon weiter sind: So würden in Community-, Bücherei- und Job-Centern in England Assistenten und Terminals bereits zeigen, wie man Arzttermine oder Konsultationen online plant oder eine Medikamenten-App nutzt. In der Schweiz wiederum erhielten Patienten bei der Abgabe einer Antibiotika-Verordnung bereits am HV in der Apotheke die App Antibiotika-Coach, die ihnen bei der Einnahme helfen soll.

Dass dabei Apotheken und Arztpraxen eine stärkere Rolle spielen müssen als bisher, ist laut Studienautor Dr. Alexander Schachinger eine Notwendigkeit. Doch noch fehle es an Engagement und Kenntnissen, kritisiert er: „Alle tun nur, was sie müssen. Und das weitestgehend ohne Know-how.“ Es fehle an kreativen Ansätzen, digitale Helfer zielgruppengemäß zu positionieren. „Anti-Stress-Apps auf die Website zu stellen, genügt einfach nicht.“

Dennoch unerwartet sei ein leichter Marktrückgang von Apps für Medikamente und Diagnostik eingetreten. So sei die Nutzung von Medikamenten-Apps von 11 auf 9 Prozent in den letzten sechs Monaten zurückgegangen. Das komme überraschen, denn die im Survey insgesamt über 19 abgefragten EHealth-Anwendungen wiesen in der Regel stets ein Wachstum auf. Eine mögliche Erklärung sei, dass durch die Reduktion von Arztbesuchen und somit verordneten Therapien den leichten Rückgang dieses App-Segments verursacht haben könnte. Denn neben dem Patienten selbst würden auch Ärzte und Apotheker dabei eine Rolle als Empfehlungsgeber für Apps spielen.

Der Rückgang der Vor-Ort-Termin spiegelt sich auch in anderen Zahlen: Online-Terminbuchungstools zählen diesmal zu den Verlierern des Surveys. Deren Nutzung sei innerhalb der vergangenen sechs Monate von 33 auf 25 eingebrochen. Schachinger geht allerdings davon aus, dass es sich um einen rein temporären Effekt handelt. Die Lücke füllen unterdessen die Kassen: Waren Arztpraxen bisher mit 14 Prozent die wichtigsten Empfehlungsgeber für E-Health-Anwendungen, landeten sie nun mit 10 Prozent nur noch auf Platz zwei. Die Kassen zogen mit einer Steigerung von 13 auf 23 Prozent an ihnen vorbei. Auch andere Vor-Ort-Kanäle – darunter die Apotheken – haben ebenfalls zugenommen.

 

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