Signatur vergessen: Epilepsie-Patientin in Panik Sandra Piontek, 11.04.2024 14:40 Uhr
Die Digitalisierung sollte schnellere und vereinfachte Arbeitsschritte im Zusammenhang mit den E-Rezepten bringen. „Weit gefehlt“, findet Joachim Eggers, Inhaber der Nordsee-Apotheke in Hamburg. „An einem Mittwochnachmittag wurde erst vor Kurzem eine Epilepsie-Patientin panisch, weil der Arzt vermutlich die Stapelsignatur vergessen hatte. Er befand sich aber schon im Feierabend, so dass wir handlungsunfähig waren“, so der Apotheker. Insgesamt habe sich die Situation bezüglich des massiven Mehraufwandes in seiner Apotheke auch nach drei Monaten nicht gebessert.
Die verpflichtende Einführung des E-Rezepts zu Beginn des Jahres hat laut Eggers nicht zur Erleichterung beitragen. Im Gegenteil: „Gefühlt arbeiten wir zwei bis drei Mal mehr. Die Patient:innen kommen teilweise bis zu viermal in die Apotheke, bis sie endlich das Arzneimittel erhalten“, so der Inhaber. Das liege vielfach an der Stapelsignatur: „Ich kann es nur vermuten, aber einige Praxen nutzen nicht die Komfortsignatur. Wird dann beispielsweise Mittwochmittag vergessen zu signieren, haben wir ein akutes Problem, wenn Patienten am Nachmittag bei uns in der Apotheke stehen“, so der Pharmazeut.
Erst vor Kurzem habe er solch einen tragischen Fall gehabt: „Eine Patientin benötigte dringend ihr Epilepsiemedikament. Als sie jedoch am Mittwochnachmittag bei uns die elektronische Gesundheitskarte vorlegte, konnten wir die Verordnung nicht abrufen“, berichtet Eggers. „Als ich ihr erklärte, dass ich das Medikament nicht bestellen kann, weil ich die Verordnung nicht sehe, wurde sie panisch.“ Die Patientin habe für die nächste Einnahme keine Tabletten mehr gehabt und daher akut das verordnete Arzneimittel benötigt. „Mir waren die Hände gebunden, da ich die bereits geschlossene Praxis nicht mehr kontaktieren konnte“, so Eggers.
Der Kundin blieb es schlussendlich nur übrig, am nächsten Morgen ganz früh in die Arztpraxis zu fahren: „Besonders ärgerlich war, dass der Arzt ihr zugesichert hatte, dass das Rezept sofort abrufbar sei“, so der Inhaber. „Es ist schwer, genau zu sagen, wo der Fehler liegt. Ich will den Ärzten auch nicht den schwarzen Peter zuschieben, die Praxen sind ebenfalls massiv überlastet. Aber am Ende ist der Patient oder die Patientin das Opfer“, so Eggers. „Wir Apotheken stehen dann aber als unfähig dar und müssen alles erklären. Und das Ganze für ein Produkt, das so unzulänglich ist, dass mir dafür die Worte fehlen“, so der Pharmazeut über das E-Rezept.
Hochpreiser im Freitext
Auch Freitextverordnungen machen ihm das Leben schwer: „Wir hatten erst neulich wieder den Fall, dass ein Hochpreiser verordnet war, der etwa 7000 Euro kostet. Vom Arzt wurde die Mengenangabe mit einer Packung eingetragen. Im Freitext setzte er aber die Verordnung auf zwei Packungen hoch“, berichtet der Inhaber. Bei der Übertragung in sein System wurde aber nur eine Packung übernommen. „Das ist in meinen Augen so nicht abrechenbar und bereitet jedes Mal Schwierigkeiten – und das bei dem hohen Preis.“ Auch Dosierungen im Freitextfeld seien mit Mehraufwand verbunden: „Jedes Mal, wenn die Karte erneut eingelesen wird, müssen wir dokumentieren, dass die alte Dosierung nicht mit übernommen werden soll“, so Eggers.
Seit über drei Monaten zerre das E-Rezept an seinen Nerven: „Wenn Patienten dann kurz vor den Tränen sind, weil sie ihr Medikament nicht bekommen können, oder ungehalten werden und uns als unfähig darstellen, dann lässt uns das natürlich auch nicht kalt“, so der Inhaber. „Jeden Mist bekommen wir aufs Auge gedrückt, ohne zusätzliche Honorierung. Aber die Politik denkt immer noch, wir sind überbezahlt“, so der Apotheker.
Er könne es gut verstehen, wenn man „dann nur noch hinschmeißt“. Mehr noch: „Wir werden doch nur noch herabgewürdigt. Es ist ein Irrglaube, dass die eigene Apotheke noch als Altersvorsorge dienen kann.“