Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen fordert eine Novellierung des Datenschutzes im Gesundheitswesen. Die möglichst sparsame Verwendung von Daten müsse dem Grundsatz der Datensicherheit weichen, dessen Einhaltung auch strafbewehrt sein müsse. Wo die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Weg stehe, müsse unter Umständen ein deutscher Sonderweg her.
Man müssen den „Faxstandard und Zettelwirtschaft“ überwinden, so der Vorsitzende Professor Dr. Ferdinand Gerlach. Zwar seien nach Jahren des Stillstands in dieser Legislaturperiode Dinge in Bewegung gekommen, aber man wünsche sich mehr Entschlossenheit in Politik und Gesellschaft. „Wir brauchen eine nachhaltige Strategie“, so Gerlach. Ziel müsse ein „dynamisch lernendes Gesundheitssystem“ sein.
Um die digtialen Möglichkeiten nutzen zu können, fordern die Gesundheitsweisen eine Diskussion über den Datenschutz im Gesundheitswesen. „Wir wissen, dass es dafür derzeit keine politischen Mehrheiten gibt. Aber die Debatte muss geführt werden“, so Gerlach. Auch der Sachverständigenrat halte es für unabdingbar, dass Gesundheitsdaten nicht in falsche Hände fielen. „Zugleich müssen sie in richtige Hände gelangen können – in Hände, die Leben und Gesundheit schützen wollen“, so Gerlach. Seiner Meinung nach ist es nicht nur unethisch, Gesundheitsdaten zu missbrauchen. Genauso problematisch sei es, vorhandene Daten nicht sinnvoll zu nutzen. Dies habe die Corona-Krise einmal mehr gezeigt.
Ähnlich argumentierte der stellvertretende Vorsitzende, Professor Dr. Wolfgang Greiner: „In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig es wäre, Gesundheitsdaten wie eine nachgewiesene Ansteckung mit Bewegungs- und Kontaktdaten verknüpfen zu können, um zu erkennen, welche Situationen wirklich risikoreich im Sinne von Infektionsketten sind. Mit diesem Wissen könnten Maßnahmen zur Eindämmung viel gezielter sein.“
„Von der Lebenswirklichkeit längst überholte Konzepte wie Datensparsamkeit helfen nicht weiter“, so Greiner weiter. „Der Sachverständigenrat knüpft hier an den Deutschen Ethikrat an, der in seiner Stellungnahme zu ‚Big Data und Gesundheit‘ feststellte, einem Datenmissbrauch könne ‚mit Handlungsformen und Schutzmechanismen des traditionellen Datenschutzrechts nur unzureichend begegnet‘ werden.“
Auf die technischen Details – etwa die Frage der zentralen oder dezentralen Archivierung von Daten könne man nicht bis ins Letzte eingehen, so Petra A. Thürmann. Zur Nachfrage, wie der Sachverständigenrat die Arbeit der Gematik bewerte, wollten sich die drei Experten nicht äußern. Auch im Gutachten sei man darauf bewusst nicht eingegangen.
Zentrales Element soll die elektronische Patientenakte (ePa) sein. Der Zugriff sollte laut Gutachten prinzipiell allen am Versorgungsprozess beteiligten Leistungserbringern möglich sein – darunter auch die Apotheken. Dabei sollte auch nicht zwingend die vorherige Zustimmung des Patienten erforderlich sein: Insbesondere bei einer Behandlung im Notfall müsse der Zugang zum aktuellen Notfalldatensatz für Rettungspersonal grundsätzlich erlaubt sein.
Neben der „patientenwohldienlichen“ Ausgestaltung der ePA wird auch eine „treuhänderisch kontrollierte Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung“ gefordert. Das Gutachten spricht sich zudem für die Steigerung digitaler Gesundheitskompetenz sowohl bei Heilberufler:innen als auch bei Bürgerinnen und Bürgern aus. Lobend erwähnt wird, dass Deutschland als erstes Land weltweit die Verordnung von Apps auf Rezept ermöglicht habe.
Das Gutachten „Digitalisierung für Gesundheit. Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems“ wird nun dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet und am 17. Juni im Rahmen eines Symposiums mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Fachöffentlichkeit diskutiert.
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