Rechenzentren machen Druck: Gutachten zum E-Rezept Alexander Müller, 07.12.2021 10:41 Uhr
Die Rechenzentren warnen vor ungelösten Fragen bei der Abrechnung von E-Rezepten. Der Verband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) befürchtet, dass die Risiken – und damit zusätzliche Kosten – auf die Apotheken verlagert werden. Der Verband hat deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um den Deutschen Apothekerverband (DAV) mit einer sachlichen Analyse auf die Probleme aufmerksam zu machen. Der VDARZ tut dies aus gestärkter Position – denn nach Informationen von APOTHEKE ADHOC ist Marktführer Noventi dem Verband nun beigetreten.
Die Rechenzentren weisen seit Monaten darauf hin, dass zentrale Fragen der Abrechnung nicht geklärt sind, insbesondere der extrem kritisch Haftungsübergang. Denn eine qualifizierte Quittung für die Übergabe der Rezepte an die Krankenkassen gibt es bislang nicht. Auch über technischen Probleme bei der Abrechnung war bereits Anfang November berichtet worden.
Außerdem meint der VDARZ eine ganze Reihe von Schwachstellen bei den Signaturen des E-Rezeptes ausgemacht zu haben. Dies betrifft veraltete Standards bei verwendeten Zertifikaten, aufgetretene Probleme bei den Signaturen von Testausweisen einzelner Anbieter oder das Fehlen eines qualifizierten Zeitstempels. Der Zeitpunkt, wann eine Signatur erstellt wurde, sei damit nicht fälschungssicher. Mit einem gestohlenen HBA könnte theoretisch ein zurückdatiertes Dokument erstellt werden, das damit formal gültig wäre.
Aufgrund dieser und weiterer Unsicherheiten befürchten die Rechenzentren das Schlimmste: Dass eine Kasse die gesamte Datenlieferung und damit im Worst Case die gesamte Abrechnung abweist, wenn auch nur ein einziges E-Rezept enthalten ist. Eine erneute und getrennte Abrechnung würde zu Zeitverzug und möglichen Liquiditätsengpässen führen.
Der VDARZ hat daher die Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen beauftragt, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Die Rechenzentren wünschen sich rechtlich fundierte Handlungsempfehlungen, nicht zuletzt zur Frage des Haftungsübergangs zwischen Warenwirtschaft, Rechenzentrum und Krankenkasse. Denn aus Sicht der Rechenzentren werde dieses drängende Thema derzeit zwischen Gematik, Deutschen Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband noch nicht mit letzter Intensität verfolgt.
Genau mit diesem Anspruch – die eigenen speziellen Interessen – besser nach vorne tragen zu können, war der VDARZ im Frühjahr 2018 gestartet. Jetzt wird die Phalanx komplett geschlossen. Der Apothekendienstleister Noventi schließt sich dem Verband an. Für den VDARZ ein wichtiger Schritt, denn mit dem Beitritt des Marktführers können die Rechenzentren künftig mit einer Stimme sprechen.
Der VDARZ hat den klaren Anspruch, die Interessen der Rechenzentren gegenüber dem Gesetzgeber direkt zu vertreten. Auch in Gesprächen mit dem DAV sowie anderen Lobbygruppen im Gesundheitswesen sollte eine Einheit gebildet werden. Vorbild war der Zusammenschluss der Softwarehäuser im ADAS. Die beiden Verbände stimmen sich aufgrund ähnlich gelagerter Herausforderungen in ihrer Arbeit eng ab.
Gründungsmitglieder im VDARZ waren ARZ Haan, NARZ/AVN, ARZ Darmstadt, Digitales Rezept Zentrum (Pharmatechnik), Dr. Güldener, Rechenzentrum für Berliner Apotheken, Apothekenrechenzentrum Wünsch, ARZ Haan, AVC Dick, HSB Schrader und Apothekenrechenzentrum Hildegard Schröter. Die zur Noventi gehörende VSA – und damit der größte Anbieter im Markt – blieb dagegen zunächst außen vor. Als apothekereigenes Rechenzentrum fühlte sich die VSA vom DAV gut vertreten. Im Apothekerhaus war man dem Vernehmen nach tatsächlich zunächst nicht begeistert über die Autonomiebestrebungen der Rechenzentren. Doch die Herausforderungen bei der Einführung des E-Rezepts dürften die Rechenzentren in ihrer Entscheidung bestärken und letztlich auch Noventi überzeugt haben. Mittlerweile gibt es auch mit der Abda einen guten Austausch: Der VDARZ trägt seine Bedenken etwa in der Technischen Kommission beim DAV vor und schaltet sich, wo immer notwendig, in die Gespräche zwischen DAV und GKV-Spitzenverband ein.