Red Medical will weiter für einen Anschluss an die Warenwirtschaft von Pharmatechnik kämpfen, sowohl juristisch als auch politisch. Nachdem das Landgericht München I (LG) eine einstweilige Verfügung gegen Pharmatechnik gekippt hatte, will Red Medical die Entwscheidung nun in einem Berufungsverfahren anfechten – und parallel dazu sowohl das Bundesgesundheitsministerium (BMG) als auch die Gematik einschalten. Seine Kunden versucht das Münchner Unternehmen währenddessen zu beruhigen: Es seien noch über vier Monate Zeit bis zur verpflichtenden Einführung des E-Rezepts.
Red Medical sieht sich durch die großen Softwarehäuser – und speziell von Pharmatechnik – beim Marktzugang behindert und hatte deshalb bereits im März mit Abmahnungen die Erhebung von „Strafzöllen“ auf den Anschluss von Red-Konnektoren an die Warenwirtschaften von CGM, Noventi, ADG und Pharmatechnik zu unterbinden versucht. Pharmatechnik ging sogar noch weiter und weigerte sich, die zentrale Konnektorenlösung an seine Ixos-Warenwirtschaft anzubinden – aus Sicht von Red Medical rechtswidrig. Doch das LG folgte der Argumentation von Pharmatechnik, wonach das Softwarehaus zur Gewährleistung eines effektiven Supports Konnektorenlösungen ausschließen darf, die nicht nach den eigenen Standards arbeiten. Es hob die einstweilige Verfügung auf.
Das will Red Medical nicht auf sich sitzen lassen. Das Unternehmen entwickle sein System ständig weiter und stehe dafür auch in regelmäßigem Austausch mit einer Vielzahl von Warenwirtschaftsanbietern, um den individuellen Anschlussprozess an die Telematikinfrastruktur (TI) zu koordinieren und für die Kunden reibungslos zu gestalten. Dieser eingespielte Vorgang stoße jedoch bei Pharmatechnik auf Widerstand. „Im konkreten Fall versucht Pharmatechnik zu verhindern, dass Apotheken sich für unseren aus unserer Sicht zeitgemäßen, Rechenzentrums-basierten TI-Anschluss entscheiden“, so Red Medical. „Damit werden Sie als Dienstleister im Gesundheitswesen von nachhaltigen Lösungen abgeschnitten.“
Bei der Aufhebung der einstweiligen Verfügung hatte das Gericht vor allem mit dem Wettberwerbs- und Kartellrecht argumentiert: Der Marktanteil von Pharmatechnik sei nicht groß genug, als dass es sich beim Ausschluss von Red Medical um eine Wettbewerbsbehinderung handeln könne. Doch Red Medical argumentiert noch auf einer ganz anderen Ebene: „Wir sehen darin eine Verletzung der gesetzlich vorgesehenen Interoperabilität der Gematik-zertifizierten Komponenten und wollen nicht nur Ihr Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zur Telematikinfrastruktur, sondern auch Ihre freie Wahlmöglichkeit als Unternehmer juristisch durchsetzen“, so das Unternehmen.
Die Entscheidung des LG sei nicht zuletzt deshalb „falsch und kundenfeindlich“, weswegen Red Medical sie im Berufungsverfahren kurzfristig anfechten werde. Aktuell bereite das Unternehmen mit seinem Anwaltsteam rund um Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen die nächsten Schritte dafür vor. Die Urteilsbegründung stelle bereits explizit fest, dass es keine technischen Hindernisse für den Anschluss der Pharmatechnik-Warenwirtschaft an RED Telematik gibt.
Vor diesem Hintergrund wolle sich Red Medical parallel zum Rechtsverfahren an die Politik wenden: Red Medical werde BMG und Gematik als Aufsichtsbehörde in das Verfahren involvieren und über den aktuellen Stand in Kenntnis setzen. „Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Interoperabilität gefordert, um den Wettbewerb zu ermöglichen und auch um wirtschaftliche Vorteile für die Anwender zu realisieren“, so Red Medical. „Wir sind der festen Auffassung, dass Pharmatechniks Versuch, den Wettbewerb auszuschließen, dem Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft.“
Der Rechtsstreit kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Bereits in etwas mehr als einem Monat soll laut den Plänen der Gematik der bundesweite Roll-out des E-Rezepts beginnen, nur ein Quartal später soll die verpflichtende Nutzung beginnen. Apotheken, die eine Pharmatechnik-Warenwirtschaft und das TI-Paket von Red Medical gebucht haben, hängen derzeit in der Luft und können noch gar nicht wissen, ob sie mit dieser Kombination E-Rezepte werden empfangen und bedienen können. Red Medical wolle seine Kunden deshalb bitten, uns für die Durchsetzung Ihrer Rechte etwas Zeit zu geben und die Entwicklung abzuwarten. Grund zur Eile besteht aktuell noch nicht.“ Selbst falls Red Medical in höheren Instanzen Recht erhalten sollte, besteht für das Unternehmen noch eine ganz andere Gefahr, nämlich dass ebenjene Apotheken die Unsicherheit beenden wollen, indem sie noch für einen anderen Konnektorenanbieter entscheiden. „Sollte Ihnen in der Zwischenzeit ein anderweitiges TI-Angebot vorliegen, bitten wir Sie, mit uns Kontakt aufzunehmen“, rät Red Medical seinen Kunden deshalb. „Gemeinsam können wir dann das weitere Vorgehen besprechen.“
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