In Österreich ist das E-Rezept schon länger etabliert, doch wie wenig der Datenabruf per eCard (eGK) zu Ende gedacht ist, musste Viktor Hafner, Inhaber der Linden-Apotheke in Wien, kürzlich feststellen: Eine Mutter wollte am Abend nur die dringend benötigten Medikamente für ihr Kind abholen. Doch als der Apotheker die Verschreibung des Kindes abrufen wollte, bekam er die Meldung: Karte gesperrt. Das Problem ließ sich auch nach erheblichem Aufwand nicht lösen.
Als die Mutter gegen 17:45 Uhr mit ihrem Kind in die Apotheke kommt, um wichtige Medikamente abzuholen, steckt Hafner wie gewohnt die eCard ein, um die verschriebenen Medikamente abzurufen. „Das System meldete, dass die eCard gesperrt wurde. Daher ließ sich die Medikation nicht mehr abrufen“, so der Inhaber.
Die Mutter habe daraufhin erklärt, dass sie erst kürzlich eine neue eCard bestellt hatte, weil sich bei der alten die Folie gelöst hatte. Eine neue Karte sei aber noch nicht angekommen. „Dennoch wurde scheinbar die alte Karte schon gesperrt. Das ist unüblich, denn bei Bankomatkarten beispielsweise wird doch auch erst dann die alte Karte gesperrt, wenn die neue zum ersten Mal gesteckt wird“, so der Inhaber.„Hätte die Mutter gewusst, dass die Karte schon gesperrt wird, hätte sie sich vom Arzt das Rezept ausdrucken lassen.“ Dies sei aber nicht erfolgt, so Hafner. „Bei Verlust der Karte wäre das Sperren logisch, dann würde die Mutter auch den Ausdruck des Rezeptes vom Arzt verlangen können.“
Am Abend sei zudem der Arzt auch nicht mehr erreichbar gewesen. „Außerdem existierte auch die Handysignatur für das Kind nicht“, so der Apotheker. In solchen Fällen sei der nächste Schritt ein Anruf bei der Elga-Hotline gewesen: „Diese Service-Hotline der elektronischen Gesundheitskarte war noch bis vor kurzem für solche Fälle erreichbar. Diese durfte uns jedoch nicht mehr helfen“, ärgert sich Hafner. Noch vor zwei Wochen war es möglich, die eRezept-ID in solchen Notfällen abzufragen und das Rezept abzurufen: „Stattdessen empfahl die Dame bei der Hotline, die Mutter solle mit dem Kind das Spital aufsuchen. Ich sage nur das Stichwort: Kosten im Gesundheitssystem“.
„Das kann nicht im Sinn des Systems sein, dass das Kind womöglich dringende Arzneimittel wie ein Asthma-Spray, Antibiotikum oder ähnliches nicht erhalten kann“, so der Inhaber. „Weil die Hotline, die dafür eigentlich ins Leben gerufen wurde, die Rezept-Nummer nicht mehr bekanntgeben darf.“ Sein konstruktiver Lösungsvorschlag: „Die Hotline wieder reaktivieren oder das Sperren der Karte verhindern, solange die neue Karte noch nicht aktiviert wurde.“
Das sei ein klassischer Fall, in dem „das System die Patienten im Regen stehen lässt“, so Hafner. Zudem sei es kein Einzelfall: „Ich habe mal zusammengezählt und komme allein im Zeitraum von Juli bis September auf 20 Anrufe bei der Hotline. Die Begründung, dieser Service sei eingestellt worden, weil er zu wenig genutzt wurde, ist in meinen Augen paradox. Es sollte eine Nummer nur für Notfälle sein. Wir haben immer wieder solche Notfälle, aber nun wurde diese Möglichkeit sang- und klanglos eingestellt“, ärgert sich Hafner.
Die „Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft“ hat dazu folgende Antwort: „Bei Anforderung einer neuen eCard wegen Verlust, Diebstahl oder Defekt wird die aktuell gültige eCard sofort gesperrt. So soll einerseits Missbrauch (bei gestohlenen oder verlorenen eCards) und andererseits die Beschädigung von Kartenlesegeräten (bei defekten eCards) verhindert werden. Wenn Versicherte als Grund für die Ersatzausstellung der eCard eine Beschädigung des Kartenkörpers nennen, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die alte Karte aufgrund der Sperre nicht mehr verwendet werden kann“, so ein Sprecher.
Weiterhin erfolgt der Hinweis auf die Handy-Signatur: „Kinder unter 14 Jahren können aus rechtlichen Gründen keine eigene Handy-Signatur erhalten, ihre Eltern hingegen schon. Versicherte können damit auch ohne eCard Rezepte mit den kostenlosen Apps der Sozialversicherung für sich und ihre mitversicherten Kinder unter 14 Jahren aufrufen und in der Apotheke einlösen.“
Es habe sich durch die Einführung vom E-Rezept „nichts an den bestehenden Rechten und Mechanismen zur Abgabe im Notfall“ geändert. „Apothekerinnen und Apotheker haben weiterhin das Recht, notwendige Medikamente auch ohne Rezept abzugeben“, so der Sprecher. Es sei daher nicht richtig, dass in so einem Fall „ein Kind nicht die notwendigen Medikamente erhalten könne“.
Hafner dementiert: Er habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, was eigentlich verordnet war: „Der ganze Aufwand war umsonst. Ich konnte der Mutter und ihrem Kind nicht helfen und musste sie tatsächlich ins Krankenhaus schicken“, so der Inhaber.
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