Wenn im neuen Jahr das E-Rezept flächendeckend eingeführt wird, erhoffen sich die Versender einen Umsatzsprung im Rx-Geschäft. Das hat Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, bei der Veranstaltung „Gesundheit_digital“ des health innovation hub (hih) noch einmal bestätigt – und gleichzeitig zum Schulterschluss gegen Amazon aufgerufen. Doch Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening zeigte sich zuversichtlich, dass die Apotheken vor Ort vom E-Rezept profitieren werden. Digitalisierung habe nämlich nichts mit dem Versandhandel zu tun.
Overwiening zufolge hat die Debatte um das E-Rezept einen falschen Zungenschlag erhalten: „Die Prägung in den vergangenen Jahren war: Digitalisierung heißt, der Versand wir unterstützt. Das ist ein grundsätzlicher Irrtum.“ Versandhandel sei Quelle-Katalog aus dem letzten Jahrtausend. „Die Digitalisierung ist in ein falsches Synonym gerutscht“, so Overwiening.
Die Apotheken würden von der Einführung des E-Rezepts auf verschiedenen Feldern profitieren: Unnötige Retaxationen könnten vermieden werden, insgesamt werde die Abrechnung mit den Krankenkassen vereinfacht. „Man muss nicht mehr sammeln, möglicherweise kann man das in kleineren Etappen machen“, so die Abda-Präsidentin. Tatsächlich laufen bereits Gespräche, ob nicht die monatliche Abrechnungszyklen verkürzt werden können, noch bremsen die Kassen allerdings.
Oberhänsli setzt darauf, dass gerade Chroniker den Versand stärker nutzen, vor allem, wenn sie nicht mehr zum Arzt müssen. Das zeigten auch Erfahrungen aus anderen Ländern. In Schweden etwa kauften die Patient:innen verschreibungspflichtige Arzneimittel im Versand allein wegen der Convenience und nicht aufgrund von Preisvorteilen, denn auch bei den skandinavischen Ländern gebe es eine Preisbindung. „Also spielt Bonus keine Rolle“, so Oberhänsli.
Die Hoffnung bei Zur Rose: Der Versandanteil im Rx-Geschäft könnte von derzeit 1 Prozent in drei bis fünf Jahren bei 10 Prozent liegen. Zur Rose mit dem Flaggschiff DocMorris strebe an, den eigenen Anteil am Rx-Markt zu behaupten oder auszubauen. Gleichzeitig warb Oberhänsli erneut für den Aufbau einer gemeinsamen Plattform: „Wir sollten das Feld nicht Playern überlassen, die niemand will, ich meine Amazon und Konsorten.“
Overwieining ging auf diese Offerte zum Marktplatz nicht weiter ein. Was ihr aktuell noch unter den Nägeln brennt, ist die geplante Zwischenlösung, dass das E-Rezept auf Papier ausgedruckt werden soll. „Dafür habe ich kein Verständnis. Das E-Rezept auf Papier ist ein Bruch im System von eklatantem Ausmaß.“ Die Abda-Präsidentin warnt vor einer Sicherheitslücke: „Das dürfen wir nicht zulassen, dass Rezepte abfotografiert werden.“
Genau das machten die Patient:innen aber und sie würden von einigen Anbietern sogar noch dazu motiviert. Overwiening sieht die Gefahr, dass die E-Rezepte so leicht von Dritten eingelöst werden könnten, weil es sehr leicht sei, sich den Datensatz mit einem Handyfoto zu besorgen.
In der vorherigen Diskussionsrunde hatte der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt, schon vor einer überstürzten Einführung des E-Rezepts gewarnt. Einen „Big Bang“ zum Jahreswechsel hält er für falsch: „Da schlummert Gefahr drin.“ Das Ausstellen des Rezepts sei ein Verwaltungsakt, keine ärztliche Tätigkeit, also sei das E-Rezept zunächst einmal „kein wirklicher Mehrwert für die Ärztinnen und Ärzte“.
Als Minimum erwarte die Ärzteschaft daher eine reibungslose Umstellung. „Das muss fast unspürbar eingeführt werden, damit wir nicht von etwas aufgehalten werden, von dem wir nichts haben.“
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