Anbieter verwechselt Inhaber und Apotheke

Medisign sperrt Apotheke versehentlich aus der TI aus

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Berlin -

Seit mittlerweile zwei Monaten schlägt sich ein Apotheker im rheinischen Euskirchen mit Medisign herum: Dem Anbieter gelang es offenbar nicht, Inhaber und Apotheke auseinanderzuhalten. Rechnungen schickte er an den vorherigen Eigentümer – und sperrte dann einfach die SMC-B. Es kostete den Inhaber viel Zeit und Nerven, sie wieder zum Laufen zu bringen. Den entstandenen Schaden will er sich ersetzen lassen.

Bei einem Inhaberwechsel wechselt der Inhaber, nicht die Apotheke. Deshalb sollte der Fall eigentlich klar sein: Name, Adresse und Telefonnummer der Annaturm-Apotheke in Euskirchen waren gleichgeblieben, auch nachdem Apotheker Nils Ulbricht sie im April vergangenen Jahres übernommen hatte. Im Juni orderte Ulbricht über die Apothekerkammer Nordrhein seine SMC-B bei Medisign – ohne Probleme. „Alles wurde freigeschaltet, ich habe Rechnungen bekommen, mein Sperrkennwort gewählt, sprich: Alles lief nach Plan“, erzählt er. Und das war auch gut so, schließlich hatte der DAV im Juli 2021 nach seinem Sicherheitsdebakel die Impfzertifikatefunktion seines Portals in die Telematikinfrastruktur (TI) migriert. Der Zugang ist also Voraussetzung, um Impfzertifikate zu erstellen.

Das ging auch ohne Weiteres bei Ulbricht – bis zum 20. Januar. Da erhielt er eine E-Mail von Medisign, wonach sein SMC-B-Zertifikat sofort gesperrt sei und das nicht rückgängig gemacht werden könne. „An dem Tag selbst ging es dann noch, am Folgetag kam ich dann aber nicht mehr in die TI“, sagt er. Für Rückfragen war eine Telefonnummer angegeben. „Die habe ich natürlich sofort angerufen. Da wurde mir dann gesagt, ich hätte gekündigt.“ Das konnte jedoch gar nicht sein.

Des Rätsels Lösung heißt Frank Cöln, der Vorbesitzer von Ulbrichts Apotheke. Er erhielt weiterhin Rechnungen von Medisign und hielt das für einen Fehler, schließlich hatte er seinen Betrieb längst verkauft. Also meldete er sich beim Unternehmen und kündigte. „Daraufhin wurde meine SMC-B gesperrt, und zwar ohne Rückfragen oder dass das Kennwort abgefragt wurde, das Herr Cöln ja gar nicht wissen konnte“, sagt Ulbricht. Offensichtlich sei lediglich die E-Mail-Adresse der Apotheke abgeglichen worden. Damit begann ein wochenlanger Ärger für Ulbricht.

„Ich finde es absolut dilettantisch von so einem Unternehmen, so vorzugehen und einfach ohne genauere Kontrolle die SMC-B zu sperren“, sagt er. Scheinbar ist bei Medisign aber noch mehr durcheinandergeraten, denn während der Vorbesitzer die Rechnungen erhielt, landeten die Mahnungen bei Ulbricht. Der musste erst einmal mit der Situation klarkommen. „Ich wurde mit der E-Mail einfach vor vollendete Tatsachen gestellt – und das zur Hochzeit der Impfzertifikate“, sagt er. „Ich war der Einzige, der in Euskirchen keine Zertifikate ausstellen konnte, und es war gerade die Zeit, in der sich viele boostern und das dann nochmal eintragen ließen.“

Er habe nichts tun können, außer Schilder aufzustellen und den Kunden mitzuteilen, dass es derzeit keine Impfzertifikate gebe. „Natürlich hatten wir darauf auch schlechte Reaktionen, wir haben hier gleich in der Nähe ein Impfzentrum und entsprechend viele Kunden, die Zertifikate wollen. Und den Hintergrund mit der SMC-B kann man ja keinem Patienten erklären. Die denken, das wäre ein Vorwand. Man ist einfach hilflos.“

Also musste er das Problem so schnell wie möglich lösen – doch das war alles andere als einfach. „Es ist extrem schwer, mit denen in Verbindung zu treten. Wenn man durch die Warteschlange gekommen ist, ist meist ein kleines Licht dran, das sagt, es könne nicht viel tun. Es hat auch erst mal überhaupt niemand kapiert, was da passiert ist.“ Also versuchte er sein Glück über die Kammer, was ihn immerhin etwas weiter brachte. „Ich habe dann vier Tage jeden Tag mit der Kammer telefoniert, um das Problem zu lösen.“ Immerhin konnte er so bis zum 25. Januar erwirken, dass ihm eine beschleunigte Neuausstellung garantiert wurde – statt drei sollte es nur eine Woche dauern. Und so kam es auch, am 3. Februar konnte er wieder Zertifikate ausstellen. Doch damit hörte der Ärger noch nicht auf.

Denn obwohl es der Fehler des Unternehmens war, schickte es Mitte Februar eine volle Rechnung über eine neue SMC-B – und zwar schon wieder an den Vorbesitzer. Zustande sei der Fehler gekommen, so erfuhr Ulbricht zwischenzeitlich, weil bei der Bestellung die E-Mail-Adresse der Apotheke automatisch dem Vorbesitzer als Bestandskunden zugewiesen worden war. „Mir die Mahnungen auf meinen Namen zu schicken, hat aber merkwürdigerweise funktioniert.“ Also wandte er sich erneut an Medisign und erfuhr, dass man den Namen des Auftraggebers scheinbar nicht so einfach ändern kann. Immerhin wurde auf die Rechnung verzichtet. „Bei der Gelegenheit sagte ich dann auch, dass ich den mir entstandenen Schaden beziffern kann und erbitte, die Rechtsabteilung zu informieren, dass sich jemand bei mir meldet. Ich habe bis heute nichts gehört und meine Bitten um Rückruf sind ebenfalls verhallt.“

Den Schaden beziffert er auf eine Summe im vierstelligen Bereich – berechnet einfach durch die durchschnittliche Zahl täglich erstellter Impfzertifikate multipliziert mit der Vergütung pro Zertifikat und das wiederum multipliziert mit der Zahl der Tage, die er ohne eigenes Verschulden von der TI getrennt war. Hinzu kommen die 200 Euro, die er für den Techniker seines Softwarehauses zahlen musste, um die neue SMC-B einzurichten. „Ich sehe nicht ein, das zu zahlen, wenn ich keinen Fehler gemacht habe. Und jetzt stelle man sich mal vor, das E-Rezept wäre schon da – dann hätte ich zwei Wochen lang keine Rezepte bedienen können und mir wäre ein noch viel größerer Schaden entstanden!“

Also hat er nochmal eine E-Mail geschrieben und gefordert, dass sich jemand für eine gütliche Einigung bei ihm melden soll, sonst werde er rechtliche Schritte einleiten. Rückmeldung: Fehlanzeige. Dafür erhielt er andere Post von Medisign: eine Mahnung über den Preis der neuen Karte. Erneut schrieb er an Medisign, verweigerte die Zahlung und forderte eine Kontaktaufnahme zur gütlichen Einigung. Gehört hat er bis heute nichts von Medisign. „Deshalb muss ich jetzt schauen, wie ich weiter vorgehe. Ich sehe es absolut nicht ein. Deren Taktik, sich einfach nicht zu melden, kann ich nicht akzeptieren. Bei der Firma weiß ich ja auch nicht, wann wieder einfach so meine SMC-B gesperrt wird. Das beunruhigt mich.“

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