Politik setzt auf Freiwilligkeit

Kein E-Rezept – keine Sanktion

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Berlin -

Ab September sollen alle Apotheken E-Rezepte annehmen können. So sieht es der Beschluss der Gematik-Gesellschafter vor. Aber was passiert eigentlich, wenn eine Apotheke nicht „ready“ ist? Gar nichts. Es werde keine Sanktionen geben, sagte Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken am Rande des Hauptstadtkongresses 2022. Auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) setzt auf Freiwilligkeit.

Während die Arztpraxen zunächst in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe das E-Rezept ab September verstärkt testen sollen, müssen zum Stichtag alle Apotheken bundesweit in der Lage sein, elektronische Verordnungen zu bedienen. Leyck Dieken ist zuversichtlich, dass die Apotheken das auch schaffen, die aktuelle Zahlen sprächen sehr dafür. Anders als bei den Ärzt:innen sehen sich die Apotheken einem anderen Wettbewerbsdruck ausgesetzt: Die E-Rezepte würden nämlich sonst einfach zu den Versandapotheken fließen und die Apotheken vor Ort hätten den Bus verpasst, so der Gematik-Chef.

Zuvor hatte Leyck Dieken im Panel „Digitale Lösungen: Klare Verantwortlichkeiten als Erfolgsfaktor“ beim Hauptstadtkongress unter anderem mit Dr. Susanne Ozegowski diskutiert, der Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Auch sie hält nichts von Zwang: „Es wird keine Sanktionen beim E-Rezept geben und das ist auch richtig so.“ Aber natürlich seien alle Arztpraxen aufgerufen, jetzt mitzumachen, das richtige Mindset zu entwickeln. „Das Gleiche nehme ich von den Apotheken wahr, die schon sehr weit sind“, so Ozegowski.

BMG: Keine Sanktionen

Leyck Dieken verteidigte die frühere Herangehensweise des BMG unter alter Führung: „Es war richtig, dass die alte Legislatur nicht auf Freiwilligkeit gesetzt hat.“ Nur so sei die Entwicklung möglich gewesen. „Ist das jetzt noch notwendig? Nein. Die Produkte müssen von sich aus überzeugen“, so der Gematik-Chef.

Ulrich Weigeldt, Chef des Hausärzteverbands, schlug in die gleiche Kerbe: „Und ich werbe sehr dafür, solche Sachen nicht verpflichtend zu machen.“ Denn das zeuge nicht davon, dass man von dem Produkt sonderlich überzeugt sei. Weigeldt beteuerte, dass die niedergelassenen Kolleg:innen nicht gegen die Digitalisierung seien, sich aber immer einen Zeitgewinn erhofften. Und im Moment sei es so, dass die Digitalisierung vor allem Strukturprobleme offenbare.

Ärzte unglücklich mit TI

Die Ärzte seien unglücklich mit der Telematikinfrastruktur (TI), weil weiterhin eine Hardwarebindung bestehe. „Mit dem Konnektoren-Tausch sind wir nicht zufrieden.“ Er kritisierte die zu strengen Datenschutzvorgaben in Deutschland: „Wir hängen den Datenschutz so hoch, dass wir selbst nicht mehr drankommen.“ In Dänemark könne ein Arzt in der Praxis nachsehen, was die Kolleg:innen in der Klinik alles gemacht hätten – und umgekehrt.

Mit Dr. Peter Gocke, der an der Berliner Charité die Stabsstelle Digitale Transformation leitet, nahm für den Klinikbereich an der Debatte teil. Er monierte mit Blick auf die Einführung der elektronische Krankschreibung (eAU), wie lange die Umsetzung eines vergleichsweise einfachen Prozesses benötigt habe. „Wenn wir so weitermachen, verspielen wir das Vertrauen der Patienten.“ Und weiter: „Ich habe Sorge, dass wir irgendwann nicht mehr digitalisieren können, sondern digitalisiert werden.“

Weigeldt wies aber auch auf die strukturellen Schwachstellen hin, etwa die schlechte Netzabdeckung in Teilen Deutschlands. Und die Praxisverwaltungssysteme (PVS) seien in den 80er-Jahren programmiert worden und würden seitdem nur fortlaufend angepasst. Die Hausärzte würden sich hier strengere Vorgaben wünschen. Eine Rezertifizierung nach einmal erfolgter Zulassung gebe es aktuell nicht.

Die wiederkehrende Kritik an den PVS wollte eine Medatixx-Vertreterin im Publikum nicht auf sich sitzen lassen und fragte bei Ozegowski nach, ob es denn den früher einmal angedachten „Hersteller-Gipfel“ im BMG noch geben werde. Ozegowski versprach es.

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