Mit dem E-Rezept könnte neuer bürokratischer Aufwand auf Vertretungsapotheker zukommen. Denn weil der elektronische Heilberufsausweis (HBA) von der jeweiligen Heimatkammer ausgestellt wird, sei es notwendig, sich selbst bei kurzfristigen Tätigkeiten in einem anderen Bezirk vorab bei der dortigen Kammer zu registrieren, erklärt die Apothekerkammer Baden-Württemberg (AKBW). Sonst könne es sein, dass der HBA nicht funktioniert. Devid El-Wehsch, Chef der Vertretungsagentur Flying Pharmacists, gibt allerdings Entwarnung.
Spätestens ab Januar dürfte eigentlich kein Apotheker mehr um den HBA herumkommen, schließlich wird er für jedes E-Rezept benötigt. Doch auch, wenn man einen eigenen HBA hat, könnte auf manche Pharmazeuten ein Problem zukommen, theoretisch zumindest: Denn die Kammern sind formal die Aussteller der Karten, de facto werden sie von den sogenannten qualifizierten Vertrauensdiensteanbietern (qVDA) ausgeliefert, die jeweils von der Gematik zugelassen wurden. Die größten von ihnen sind D-Trust/ Bundesdruckerei und Medisign, beiden vereinen die große Mehrheit der ausgegebenen HBA auf sich.
Die Kammern als ausgebende Stellen wiederum schließen jeweils selbst Verträge mit den qVDA ab. Aus genau diesem Grund ist es möglich, dass ein in einem Kammerbezirk ausgestellter HBA in einem anderen Kammerbezirk nicht verwendet werden kann, wenn der qVDA der ersten Kammer in der zweiten mangels Vertrag nicht anerkannt ist. „Sie dürfen den HBA innerhalb Deutschlands nur dann in einem anderen Kammerbezirk nutzen, wenn und solange zwischen dem von Ihnen vorausgewählten qVDA und der örtlich für Sie außerhalb Baden-Württembergs zuständigen Apothekerkammer ein entsprechender Rahmenvertrag über die Ausgabeberechtigung (HBA) besteht“, klärt die AKBW ihre Mitglieder auf ihrer Seite auf. „Auch wenn das in den meisten Fällen so ist, müssen Sie dies bitte noch direkt mit der örtlich zuständigen Apothekerkammer klären.“
Auf Nachfrage erklärt die Kammer allerdings, dass das eher ein theoretisches Problem ist: „Die qVDAs sind nach unserem Kenntnisstand in allen Kammerbezirken identisch“, so ein Sprecher. „Grundsätzlich ist der HBA personenbezogen und kann von der berechtigten Person in jedem Bundesland eingesetzt werden.“ Dass ein HBA aus einem anderen Kammerbezirk zum Einsatz kommt, müsse allerdings trotzdem vorher gemeldet werden.
Vor der Nutzung des HBA in einem anderen Bundesland müsse eine entsprechende Anmeldung im anderen Kammerbezirk durch den Karteninhaber vorgenommen werden, auch wenn die Tätigkeit kurzfristig ist, so die AKBW. „Ob eine Nutzung auch ohne vorherige Anmeldung im entsprechenden Kammerbezirk möglich wäre, ist uns aktuell nicht bekannt.“ Für detailliertere Informationen dazu müsse man sich an den IT-Support der Abda wenden. Warum ein HBA in einem anderen Kammerbezirk nicht funktionieren sollte, wenn er von einem dort anerkannten qVDA kommt, erläutert die AKBW nicht.
Müssen Vertretungsapotheker sich also künftig bei jedem Einsatz in einem anderen Bundesland vorher bei der dortigen Kammer anmelden? Wahrscheinlich nicht, sagt David El-Wahsch. Der Geschäftsführer des Vertretungsdienstleisters Flying Pharmacists geht davon aus, dass die Aufforderung nur bedingt ernst zu nehmen ist. „Es ist vonseiten der Kammern auch jetzt schon erwünscht, dass Vertretungsapotheker sich bei jeder Tätigkeit in einem anderen Kammerbezirk vorher anmelden“, sagt er. „Das wird aber in der Praxis von den wenigsten so gehandhabt.“ Es gebe auch aus praktischer Sicht keine Notwendigkeit dazu, da Vertretungsapotheker ihrer Beiträge für die Versorgungswerke ohnehin immer bei der Kammer abrechnen, bei der sie gemäß ihrer Meldeadresse registriert sind.
Auch mit Blick auf den HBA gebe es keinen Grund, anzunehmen, dass der in einem anderen Kammerbezirk mit denselben qVDA nicht funktionieren sollte. Und selbst wenn es denn so wäre: El-Wehsch verweist darauf, dass ein Vertretungsapotheker prinzipiell auch immer den HBA des Inhabers oder Filialleiters nutzen können. „Wenn es schon sozialgesetzlich so geregelt ist, dass ein Vertretungsapotheker nicht scheinselbstständig ist, sondern an die Stelle des Inhabers oder Filialleiters tritt, dann kann er die gesamte Infrastruktur der Apotheke nutzen und damit Sicherheit auch den HBA verwenden“, sagt er.
Und tatsächlich ist diese Möglichkeit laut Deutschem Apothekerverband (DAV) sogar im Sozialgesetzbuch (SGB V) festgeschrieben: Demnach kann ein Apotheker einen anderen mit seinem HBA autorisieren, muss dabei jedoch beachten, dass er nachprüfbar elektronisch protokolliert, wer auf welche Daten zugegriffen hat und von welcher Person die zugreifende Person für den Zugriff autorisiert wurde, so der Gesetzestext. Wehsch sagt, er habe bereits dahingehende Rückmeldung von Inhabern erhalten, wonach sie ihren HBA schlicht und einfach dem Vertretungsapotheker zur Verfügung stellen würden. Der bräuchte demnach nicht mal einen eigenen mitzubringen. Entsprechend entspannt sieht er auch die Warnung vor der möglichen HBA-Meldepflicht: „Das ist wahrscheinlich ein Wunschdenken. Ich glaube nicht, dass das so gelebt wird.“
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