Iqvia übernimmt den Abrechnungsdienstleister Davaso. Damit steigt der US-Konzern, der in rund 6000 Apotheken Abverkaufsdaten erhebt, ins Retaxgeschäft ein.
Davaso ist der führende Abrechnungsdienstleister in Deutschland. Der Name steht für Daten (DA), Validierung (VA) und Software/Solutions (SO). Das Unternehmen mit Sitz in Leipzig war 2017 durch Fusion der beiden Wettbewerber Inter-Forum und Syntela hervorgegangen. Beide Abrechnungsdienstleister hatte der Brenninkmeijer-Clan (C&A) Ende 2015 beziehungsweise Anfang 2016 übernommen. Ende 2017 übernahm der britische Finanzinvestor Montagu über eine Holding in Luxemburg 90 Prozent der Anteile.
Nun übernimmt Iqvia die Gruppe – und verschafft sich damit Zugang zum deutschen Abrechnungsmarkt. Nach eigenen Angaben stellt Davaso für mehr als 50 Prozent der mehr als 450 Millionen jährlich ausgestellten Apothekenrezepte die Prozesse zur Abrechnung und Prüfung, insgesamt geht es um ein Abrechnungsvolumen von etwa 22 Milliarden Euro im Jahr. Und mehr noch: Ende Juli gab das Unternehmen bekannt, den digitalen Abrechnungsprozess für das E-Rezept zu starten, den es vorher in enger Abstimmung mit der Gematik, dem GKV-Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie dem Deutschen Apothekerverband (DAV) entwickelt hatte. „Mit der Bereitstellung der technologischen Infrastruktur zur E-Rezeptabrechnung leistet die Davaso-Gruppe einen zentralen Beitrag zum digitalen Ende-zu-Ende-Prozess", so Davaso.
Iqvia festigt damit also seine Position bei Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und Gesundheitspolitik und sichert sich Einfluß bei den Themen E-Rezept, Abrechnung und Verträge. Um das schlichte Retaxgeschäft geht es dem Konzern, der 2016 aus IMS Health und Quintiles hervorgegangen ist, dabei weniger: Auch wenn Davaso mit Sitz im Bürokomplex „Triumphator“ in Leipzig bei den Apotheken gefürchtet ist, entfällt nur ein kleiner Teil des Umsatzes von knapp 80 Millionen Euro auf diesen Bereich. 62 Prozent der Erlöse spülen vielmehr die geprüften Belege von Taxifahrern, Hebammen, Pflegediensten, Ambulanzen, Hilfsmittelanbietern und Heilmittelerbringern in die Kasse. Weitere 12 Prozent steuert der lukrative DMP-Bereich bei; hier war schon Inter-Forum unangefochtener Marktführer. 5 Prozent kommen von den IT-Firmen Gradient und Comline.
Bislang ist Iqvia vor allem im Bereich der Marktforschung aktiv, der Konzern sammelt Daten vor allem aus Apotheken und Kliniken. Weltweit gibt es laut Firmenangaben 150.000 Datenlieferanten, sodass 85 Prozent des globalen Arzneimittelmarktes erfasst würden. Durch die Fusion mit Quintiles kam der Bereich der klinischen Studien hinzu. Jeweils knapp die Hälfte des Umsatzes von mehr als 13,5 Milliarden US-Dollar entfällt auf diese beiden Bereiche. Seine Kompetenz im Bereich der Datenanalyse hat der Konzern außerdem genutzt, um Hersteller bei Strategie und Vertrieb zu beraten. Hierzulande hatte Iqvia dazu vor zwei Jahren die Agenturgruppe Jäger von Röckersbühl gekauft.
Davaso beschäftigt in Leipzig, Taucha und Suhl sowie den beiden Standorten der Tochterfirmen rund 1400 Mitarbeiter. 450.000 digitalisierte Belege werden nach Unternehmensangaben pro Tag verarbeitet, 144 Millionen Verordnungen mit einem Gesamtwert von 19 Milliarden Euro geprüft.
Im vergangenen Jahr gab es mehrere Wechsel im Management, so schied der frühere Arvato-Geschäftsführer und TNT-Vorstand Stefan Middendorf als CEO aus. Den Posten übernahm Siegfried Heimgärtner, als Strategiechef wurde im April mit Yves Rawiel der frühere Geschäftsführer des Kassendienstleisters SpectrumK geholt. Für das operative Geschäft ist Ulrich Schmitt zuständig, für Finanzen Katrin Hirsch. Den Beirat leitet der ehemalige TK-Chef Professor Dr. Norbert Klusen.
Inter-Forum wurde 1990 von Claus Wippich und Armin Gerhardt als Ableger der Firma ABK Systeme in Leipzig gegründet. Der Fokus lag zunächst auf Kommunikationslösungen für Banken und Behörden; ab 1995 stieg Wippich mit seiner mittlerweile in Inter-Forum umbenannten Firma in das Geschäft mit Sozial- und Abrechnungsdaten ein. 2000 begann Inter-Forum mit der Abrechnungsprüfung der Apotheken. Angeblich soll Wippich von der Gmünder Ersatzkasse (GEK) überredet worden sein, nicht nur Lizenzen für die von seinem Systemhaus entwickelte Prüfsoftware Rezept300 anzubieten, sondern die Dienstleistung gleich mit. Drei Jahre später folgte mit Kompass302 das Pendant für den Bereich der sonstigen Leistungserbringer; parallel etablierte sich Inter-Forum als Datenstelle für DMP in unterschiedlichen KV-Regionen.
Syntela ist seit Anfang 2005 im Geschäft. Die Firma wurde von Rando Trapp und Jörg Sander gegründet, die vorher bei Inter-Forum gearbeitet hatten. Dritter Partner war Thomas Metzger, der von der Kassenseite kam. Im Fokus stand zunächst die Prüfung der Abrechnung von Hebammen, Heilmittelerbringern & Co. Ab Herbst 2007 unterstützte die Firma ihre Kunden bei der Annahme und Kontrolle von Arztabrechnungsdaten. Die Prüfsoftware für Apotheken ging Anfang 2008 an den Start. Im November 2014 stieg Caldec bei Syntela ein. Mit der Fusion kurze Zeit später entstand ein Retax-Riese: Während Inter-Forum stark bei AOKen und Ersatzkassen war, hatte Syntela sich vor allem im IKK- und BKK-Lager einen Kundenstamm aufgebaut.
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