Heimbelieferung: „ePA bringt nächstes großes Problem“ Laura Schulz, 16.07.2024 09:01 Uhr
Dass das E-Rezept zwar jahrelang reifte, so manche Thematik aber unbeachtet ließ, ist nicht neu. Direkt nach der flächendeckenden Einführung zu Beginn dieses Jahres kamen so manche Stolperstellen ans Tageslicht. Einige davon liegen im Bereich der Heimversorgung. Damit sich das nicht bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im kommenden Jahr wiederholt, werden Apotheker wie Norbert Peter schon jetzt aktiv. Er betreibt die Burger Apotheke in Berlin. Hinsichtlich der ePA-Umsetzung sieht er Probleme für alle Beteiligten.
In der Burger Apotheke wird auch Individual-Verblisterung gemacht. „Da brauchen Sie als versorgende Apotheke eine Reichweitenberechnung. Es muss seitens der Arztpraxis mitgegeben werden, welche Dosierung verordnet ist, damit die Apotheke weiß, wie lange die Medikation reicht.“ Dass die Verordner:innen zumeist nur „-Dj-“ angeben, helfe da natürlich nicht. Auch in den Heimen werde teilweise nicht vollständig von allen beteiligten Ärzt:innen dokumentiert: „Mangels akkurater Informationsweitergabe“, so Peter. Das Problem spitze sich dadurch schon jetzt zu.
Das Thema ist komplex, für die Medikationsstellung werden zunehmend die Apotheken ins Boot geholt, da Heime die Arbeit gerne auslagern. Doch noch sind die Heime nicht an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden, die Kommunikation zwischen Heimen, Praxen und Apotheken dadurch nicht störungsfrei. Machten die Ärzt:innen bezüglich der Dosierung weiter wie bisher – „so wie im Freitextfeld, wo ja auch alles möglich ist“ – werde es „jetzt mit der ePA das nächste große Problem geben“, ist sich Apotheker Peter sicher.
Bestes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: „Wenn das Rezept nicht korrekt ausgestellt und abrechenbar ist, warum kann es dann überhaupt fehlerhaft als E-Rezept hochgeladen werden? Was wäre, wenn die Apotheke sich querstellt und jeden Patienten Freitagnachmittag und Samstag mit fehlerhaft ausgestellten Rezepten stattdessen ins Krankenhaus schickt? Dann wird’s teuer“, meint der Inhaber. Oftmals wisse der Hausarzt gar nicht, wenn im Heim beispielsweise ein Facharzt etwas an der Medikation ändert, brauche auch die Apotheke Bescheid. Die verschiedenen Akteure müssten einfach besser kommunizieren und auch von oberster Stelle aus mehr mitgenommen werden, findet Peter. „Die verschiedenen Software-Anbieter für die verschiedenen Akteure wiederum bräuchten entsprechende technische Schnittstellen.“
Antworten vom BMG gefordert
„Diese Beta-Phase ist wie eine Operation am offenen Herzen. Das Bundesgesundheitsministerium müsste rauf schauen“, findet er. Daher hat er nach einem Treffen bei einer Veranstaltung zur ePA auch Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter für Gematik, E-Health und Telematikinfrastruktur im BMG, angeschrieben und auf die Thematik hingewiesen.
Zilch antworte jedoch eher ausweichend und wenig konkret, verwies an die Gematik als ausführende Organisation. Für Peter sei es daher nun an der Zeit, medial den Druck zu erhöhen. Immerhin habe das BMG die Mehrheit an der Gematik und gebe die Vorgaben für die Gestaltung der Themen. „Bisher wurde alles rund um die eGK eher wie eine Betaversion rausgeschossen und das entstehende Chaos ohne Rücksicht auf die belasteten Ärzte- und Apothekenteams langsam nachgearbeitet“, schreibt Peter in seiner Antwort auf Zilchs unzureichende Rückmeldung.
„Was aber wäre, wenn die Leistungserbringer mal ihre Empathie und ihr Mitgefühl mit den Patienten vergessen und die Politik da mal so richtig an die Wand laufen lassen? Ich meine, sehenden Auges Ärzte und Apotheker mit den halbgaren Lösungen, die da live gehen, unter Stress und den Druck zu setzen, es irgendwie für den Patienten hinzubekommen, ist unlauter“, meint Peter.
„-Dj-“ nur, wenn sich Dosis aus Medikationsplan ergibt
Peter hatte Zilch eigentlich gefragt, wie das Problem mit dem „-Dj-“ denn in die ePA übernommen werden soll. Darauf bekam er die Antwort, dass dies nur im Rezept stehen dürfe, „wenn ein Medikationsplan vorliegt, aus dem sich die Dosierung ergibt“, so Zilch. In der Praxis dürfte das aber schwer zu kontrollieren sein. Auch auf Peters Nachfrage zu den benötigten Schnittstellen für die verschiedenen Systeme und den von den Apotheken benötigten Zugriff auf die ePA kam von Zilch nur ein allgemeingültiger Satz, als sei mit der schlichten TI-Anbindung der Heime alles erledigt.
Noch viele offene Fragen
Außerdem fragte der Apotheker nach einer Reminder-Funktion für alle Beteiligten bei Änderungen im Medikationsplan. Laut Zilch seien für diese „Komfort-Funktionalitäten“ jedoch die Software-Anbieter verantwortlich, Notifications für die Versicherten seien hingegen vorgesehen. Für Peter unverständlich: „Es kann ja wohl nicht sein, dass Pflegeeinrichtung, Arzt und Apotheke standardmäßig alle Medikationspläne täglich runterladen und auf Änderungen screenen. Wie soll das gehen? Ich bitte um Praxisnähe und eine vernünftige, sachorientierte Antwort, es geht um Patienten, die von den Leistungserbringern betreut werden, in Kooperation, weil sie selbst nicht mehr dazu in der Lage sind.“
Apotheker Peter, der auch beim MVDA aktiv ist, möchte hier dran bleiben und bietet Zilch auch seine Unterstützung an. „Der Patient hat es nicht verdient, Teil einer deutschlandweiten Beta-Testphase zu sein. Und wir Akteure auch nicht, wenn vor allem die Probleme schon im Vorfeld erkennbar sind“, meint er.