Wenn Software und Wawi nicht kommunizieren

Fünfstelliger Betrag fehlt: 200 E-Rezepte nicht abgerechnet

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Berlin -

Als ob der TI-Ausfall in der vergangenen Woche den Apotheken nicht schon genug Probleme bereitet hätte, war das bei Andreas Binninger gar nicht der größte Schrecken. Zusätzlich musste der Inhaber der Düsseldorfer Neander-Apotheke nämlich auch noch feststellen, dass in seiner Januar-Abrechnung mal eben ein fünfstelliger Betrag fehlte. „Ich bin fast vom Hocker gefallen.“

Fast 200 seiner belieferten E-Rezepte wurden zum Jahresstart wegen technischer Probleme einfach nicht vom Rechenzentrum erfasst. So etwas ist dem Apotheker noch nie passiert. Bei dem hohen Betrag ging er direkt an die Fehlersuche. Für ihn passt dieses Dilemma ins Gesamtbild: „Das E-Rezept ist ein großes Desaster. Seit zweieinhalb Jahren sind wir technisch darauf vorbereitet. Zweieinhalb Jahre, die nicht genutzt wurden, Probleme aufzudecken und Fehler zu beheben, die man schon vorher hätte erkennen können.“

Das Problem: An an einer bisher unbekannten Stelle fehlte die Kommunikation zwischen Binningers Rechenzentrum ALG (Noventi) und dem Warenwirtschaftssystem von Aposoft (Prisma). Aus diesem Grund konnten die etwa 200 belieferten und eigentlich abzurechnenden E-Rezepte nicht weiterverarbeitet werden. Dass die Rezepte selbst nicht das Problem waren und zum Beispiel irgendwelche Fehler enthielten, konnte schnell ausgeschlossen werden.

„Rezept-ID unbekannt“

Doch wie löst der Inhaber nun das Problem? Über diesen fünfstelligen Betrag kann schließlich niemand so einfach hinwegsehen. „Ich hatte vom Rezeptabrechner Rückmeldung zu diesen Rezepten bekommen, dass hier die Rezept-ID fehlt und somit keine Daten weiterverarbeitet werden konnten.“ „Rezept-ID unbekannt“, heißt es dort. Ansonsten sei alles wie gehabt. Sein Softwarehaus habe er ohnehin schon länger versucht zu erreichen.

Inzwischen konnte Aposoft ihm nahezu alle fehlenden E-Rezepte zur Abrechnung übermitteln. In wenigen Einzelfällen bleibt die Sache aber ungeklärt. Binningers erste Anlaufstelle Noventi/ALG scheint hierfür nicht zuständig. „Kurz gesagt: Das Thema liegt nicht an oder bei uns (als Anbieter der Abrechnung), sondern beim Warenwirtschaftsanbieter“, heißt es vom Rechenzentrum.

Nachdem Binninger die fehlenden E-Rezepte aufgefallen sind, habe es direkt einen persönlichen Austausch und Abgleich gegeben. „Die eingereichten Rezepte wurden korrekt und vollständig abgerechnet. Die fehlenden Rezepte wurden nicht an Noventi übermittelt und konnten demzufolge auch nicht abgerechnet werden“, so ein Sprecher.

Der Dienstleister räumt aber auch ein: „Warum bestimmte Rezepte nicht durch das Warenwirtschaftssystem übermittelt werden konnten, können wir nicht abschließend beurteilen.“ Da die Rezeptabrechnung wiederum nicht über Noventi abgewickelt werde, müsse hier Binninger selbst sich mit seinem Softwareanbieter auseinandersetzen. Aposoft hat Binninger am Ende helfen können, möchte aber bei diesem individuellen Problem selbst nicht ins Detail gehen oder gar „gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Dienstleistern“ betreiben. Das Thema E-Rezept sei ohnehin schon genug emotional aufgeladen.

Problem nicht abschließend geklärt

Zwar ist der Fall nun erst einmal aufgelöst – zumindest insoweit, dass nun die Mehrzahl der 200 E-Rezepte in die Abrechnung gegeben werden konnte. Diese bekommt Binninger nun aber auch erst mit der Februar-Abrechnung ausgezahlt. Was für ihn schwerer wiegt: „Ich weiß nicht, wie ich das zukünftig verhindern soll.“ Außerdem bedeutete die Aufklärung einen erheblichen Mehraufwand. „Es ist nervig, wenn wir das alles abgleichen müssen. Noch nie habe ich solche Probleme gehabt bei der Abrechnung.“

Im Dezember ist ihm bereits eine geringfügige Differenz von 20 E-Rezepten aufgefallen, doch die 200 aus Januar haben dem Fass nun den Boden ausgeschlagen. „Das ist ein Desaster alles.“ Für ihn stellt das Problem ein unternehmerisches Risiko da, einen weiteren Posten, bei dem er in Vorleistung gehen muss – wie häufig das auftreten wird, kann niemand sagen. Das Problem selbst beheben kann er auch nicht – und so ist für Binninger hier eine immense Unwägbarkeit entstanden.

Das E-Rezept soll eigentlich Prozesse vereinfachen. Dass die Rezepte nun offenbar einfach zwischen irgendwelchen Schnittstellen verschwinden können, sei einfach nicht zu glauben. Ein manuelles Abgleichen für die Abrechnung sei kaum zu stemmen. Aus dem Kollegenkreis hat Binninger bereits von ähnlichen Fällen gehört.

Hinzu kommen die generellen Probleme, die das E-Rezept derzeit noch mit sich bringt: „Teilweise dauert es dreimal so lange, die Rezepte zu beliefern, weil nichts hinhaut. Wir können die nichts mehr selbst korrigieren. Ich sitze hier oft noch drei Stunden nach Feierabend, um alles nachzubearbeiten. Das hätte man im Vorfeld alles wissen und testen müssen. Genauso wie die Ärzte noch veraltete Arzneimittel in ihrer Software haben. Die Apotheken können das jetzt nicht mehr einfach austauschen. Warum kann das überhaupt noch verordnet werden?“

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