Fehlerquoten bis zu 80 Prozent

Experten testen: So unzuverlässig ist die TI

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Berlin -

Wie zuverlässig ist die Telematikinfrastruktur (TI)? Das ist eine grundlegende Frage, denn spätestens mit der flächendeckenden Verwendung des E-Rezepts können selbst kleine Ausfälle riesige Auswirkungen haben. IT-Experten des Fachmagazins c’t haben deshalb versucht, mit einer Stichprobe die Ausfallrate der TI zu erheben – und sind zu ernüchternden Ergebnissen gelangt.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht in den zurückliegenden Jahren zweifellos große Fortschritte – ist aber gleichzeitig auch eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Oft führen schon vermeintlich kleine Fehler zu großen Problemen, wie etwa im Mai 2020, als ein falsches Update 80.000 Konnektoren lahmlegte. Zuletzt hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beklagt, dass es beim Einstecken von Gesundheitskarten in Praxisterminals der Marke Orga 6141 online von Worldline Healthcare – ehemals Ingenico – massenhaft zu Ausfällen kommt.

Auch hier scheint die Ursache absurd klein: Laut Gematik handelt es sich um elektrostatische Aufladungen, die beim Einstecken einen „Entladeimpuls“ auslösen und von „Witterungsverhältnissen wie trockener Winterluft“ begünstigt werden. Der Zugang zur TI ist im Sommer also verlässlicher als im Winter. Um dem Fehler vorzubeugen, empfiehlt die Gematik deshalb, dass die Karten vor dem Einstecken elektrostatisch entladen werden, beispielsweise mit einer geerdeten Entladematte. An einer besseren Lösung arbeite man gemeinsam mit Industriepartnern mit Hochdruck.

Doch auf solche Einzelfälle beschränken sich die Probleme bei weitem nicht. Sie sind vielmehr auch statistisch eindeutig belegbar. Bereits zuvor, so berichtet c’t, hatte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) über eine massive Zunahme von Prüfanträgen der Krankenkassen, insbesondere in der Kategorie „unbekannte Versicherte“ geklagt – und diese Fehler treten besonders dann auf, wenn das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) nicht richtig funktioniert.

Also haben sich die IT-Experten von c’t ans Werk gemacht, mit einer Stichprobe zu eruieren, wie weit verbreitet Funktionsfehler in der TI tatsächlich sind. Dazu haben sie Log-Dateien von 15 Konnektoren ausgewertet, die über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind. Rund 48.000 VSDM-Vorgänge, die zwischen Anfang 2019 und Mitte 2021 durchgeführt wurden, sind in den Logs aufgeführt. Das ist zwar eine große Menge, angesichts von rund einer Milliarde solcher Vorgänge in 140.000 Arztpraxen aber tatsächlich nur eine kleine Stichprobe.

Drei Fehlerkategorien haben sie dabei ausgemacht: Störungen beim Zugriff auf die zentrale Infrastruktur der TI, Lese- und Schreibfehler der elektronischen Gesundheitskarte sowie lokale Fehler des TI-Equipments in den Praxen. Letztere ließen sich durch Neustart und PIN-Eingabe meist recht schnell beheben und wurden deshalb in der Auswertung nicht mit beachtet.

Doch auch nach dem Herausrechnen der lokalen Hardware-Probleme blieben die Ergebnisse bedenklich, vor allem wegen ihrer Tendenz. Vor 2020 habe die Fehlerquote nämlich bereits 5 Prozent betragen – „das ist für einen IT-Produktivbetrieb bereits bedenklich“, so die Experten. Seit 2020 habe sich die Situation aber spürbar verschlechtert: Auf 75 Prozent sei die VSDM-Verfügbarkeit da gefallen, im Schnitt schlug also jeder vierte Versuch fehl. Im ländlichen Raum seien sogar Fehlerquoten von 60 bis 80 Prozent zu beobachten gewesen.

Die Vermutung der Tester: Wegen schlechter Internetverbindungen komme es regelmäßig zu Time-outs. Ein Abgleich mit der Steigerung der Prüfquoten der KVWL in zwei Quartalen habe eine klare Korrelation aufgezeigt. Die Fehleranfälligkeit der TI führt demnach also zu einer höheren Zahl Prüfanträge der Kassen.

Ein Vergleich mit anderer zentraler Infrastruktur zeige, wie schlecht die TI im Vergleich dasteht: Typische „Service Level Agreements“ (SLA) für Geldautomaten würden inklusive Wartungsfenster einen Ausfall von acht Stunden pro Jahr erlauben. Von dieser 99,9-prozentigen Verfügbarkeit sie die TI zumindest in den untersuchten Praxen aber noch „Lichtjahre entfernt“ – dabei geht es bei Geldautomaten aber nur um das Abheben von Bargeld, nicht wie bald in der TI auch um millionenfache Arzneimittelverordnungen.

Zwar setzt die Gematik jüngst auf mehr Transparenz auch bei Fehlern in der TI und hat dazu mit dem Dahsboard zum TI-Status auch eine Anzeige der Verfügbarkeit in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Doch auch daran lassen die IT-Experten kein gutes Haar: Die Aussagekraft sei gering, da es weder eine Verlaufsanzeige noch eine Historie aufgetretenen Störungen gebe.

Ableitungen der Qualität einzelner Dienste und Rückschlüsse auf die Erreichbarkeit der TI über VPN-Zugangsdienste der medizinischen Einrichtungen würden in den Erläuterungen zum TI-Status ausdrücklich verboten. „Wesentliche Fehlerquellen werden also nicht erfasst, die Messverfahren sind unklar“, so c’t.

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