Auch die Apotheken sind Testgelände für die elektronische Patientenakte (ePA). Während aktuell noch in den Pilotregionen Hamburg und Franken sowie in Nordrhein-Westfalen getestet wird, soll es am 29. April dann bundesweit losgehen. In einem Brief an die Gematik kündigt der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an, dass zum Oktober die Nutzung der ePA dann verpflichtend sein soll. Doch diese Ankündigung könnte schon jetzt nicht mehr zu halten sein, so Kai-Peter Siemsen, der die ePA in seiner Hamburger Neuen Eilbeker Apotheke testet. Er sieht vor allem noch zwei große Schwachstellen in der Nutzung: die unstrukturierte Dateiablage und von den Kassen nicht informierte Patient:innen.
Während die ePA durch die Praxen schon gefüllt wird, können die am Test teilnehmenden Apotheken erst einmal nur Einsicht nehmen. Die bereits zugängliche elektronische Medikationsliste (eML) zeigt dabei die seit der Aktenerstellung verschriebenen Arzneimittel und auch, ob und wo diese aus der Apotheke geholt wurden. Weitere Funktionen sind noch nicht „freigeschaltet“ und werden auch noch gar nicht durch die Apothekenverwaltungssysteme (AVS) bereitgestellt.
Das, was die Apotheken bereits mit der ePA machen können, läuft bei Siemsen gut: „Das klappt hier bei uns mit Pharmatechnik hervorragend“, sagt der Inhaber und ehemalige Kammerpräsident. Von Kolleg:innen bei anderen Softwarehäusern vernehme er hingegen noch die ein oder anderen kleineren Startschwierigkeiten. Größere gebe es hingegen noch bei den teilnehmenden Praxen. Von den 83 Praxen in der Hamburger Modellregion könnten zwei immer noch nicht testen. „Die können weder etwas sehen noch eintragen“, weiß Siemsen vom wöchentlichen Erfahrungsaustausch.
Hier komme auch regelmäßig zur Sprache, was er noch als größte Herausforderung auf Leistungserbringerseite sieht: „Das Problem ist, dass die Daten nicht strukturiert sind“, so der Apotheker. Alle Dokumente würden von den Ärzt:innen einfach als PDF in die Akten geladen, teils sinnvoll benannt, teils nicht. Eine vorgegebene Struktur gebe es noch nicht in der Akte und auch noch kein System, dass bereits abgespeicherte Dateien sortiert.
„Das ist wie ein großer Schiffscontainer, in den jeder seinen Aktenordner reinschmeißt“, vergleicht Siemsen. Gehe es dann daran, bestimmte Dinge in den Dokumenten wiederzufinden, werde das schwierig. Keiner der Gesundheitsberufler:innen werde sich diese Zeit nehmen können, die Vielzahl an Dokumenten durchzusuchen. „Das weiß die Gematik auch.“ Die eML im AVS sei hingegen übersichtlich und gut zu händeln.
Je mehr Dokumente nun hineingeladen werden, desto schwieriger könnte sich eine anschließende Strukturierung gestalten. Und gefüllt wird bereits fleißig – immerhin bekommen die Ärzt:innen eine kleine Prämie. Allerdings gibt es diese nur für die Erstbefüllung, was in der Umsetzung teils sogar für einen kleinen Wettstreit sorgen soll, welcher der behandelnden Ärzt:innen denn zuerst an die ePA geht.
Zu den zuletzt noch diskutierten Sicherheitsbedenken und deren Lösung maßt sich Siemsen kein Urteil an. Laut Lauterbach ist hier alles behoben. Die Gematik gehe hier den Leistungserbringern gegenüber aber nicht ins Detail: Das Thema werde ein bisschen totgeschwiegen; es heiße oft: „Ja ja, wir arbeiten dran.“ Dabei ist auch dem Apotheker wichtig, dass die ePA sicher ist – gegenüber Angriffen und in der Datenverwahrung für die Patient:innen.
Neben der Datenablage in der Akte habe auch eine weitere Sache in der Umsetzung nicht gut geklappt, resümiert Siemsen nach drei Monaten Testlauf. „Eigentlich sollen die Kassen ihre Versicherten aufgeklärt haben, aber die meisten wissen überhaupt nichts.“ Also sprechen Siemsen und sein Team die Kund:innen aktiv auf die ePA an. „Viele wissen gar nicht, dass wir Apotheken auch etwas sehen und was. Teilweise haben sie von der ePA noch gar nicht gehört.“
Das gehe nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen ePA-Testern so. Gerade im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren sei es nicht gut, dass viele nicht mal wussten, dass sie hätten widersprechen können.
Ab Oktober soll die Nutzung der Akte nun Pflicht werden für Apotheken und Praxen – für die testenden Leistungserbringer sei das schon heute nicht mehr zu halten, man rechne erst im kommenden Jahr damit. Dabei sei auch bei Siemsen der Mehrwert der ePA bereits aufgefallen, wenn nun auf die unterschiedlichen Medikationen von beispielsweise Haus- und Facharzt eingegangen werden könne, denn nicht immer holen die Patient:innen alles in derselben Apotheke ab. Hier könne die Apotheke nun gut auf eventuelle Auffälligkeiten hinweisen.