„ePA startet als Rumpf-Akte“ Laura Schulz, 23.12.2024 12:00 Uhr
Die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im kommenden Jahr wird nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) nur langsam ihre erhoffte Wirkung entfalten. „Sie wird als Rumpf-Akte starten und sich dann allmählich weiter entwickeln“, sagte der KVB-Vorstand Dr. Peter Heinz.
Patienten sollten deshalb nicht erwarten, dass sich der Datenaustausch zwischen Praxen oder die Behandlung schnell verändert, warnte Heinz. „Man sollte sich davor hüten, falsche Erwartungen zu schüren, wie es leider teilweise von der Politik, aber auch von den Krankenkassen derzeit getan wird.“
E-Patientenakte ab Mitte Januar unter anderem in Franken
Die sogenannte „ePA für alle“ startet am 15. Januar in Franken, Hamburg und Teilen Nordrhein-Westfalens. Einen Monat später soll sie bundesweit ausgerollt werden. Für alle gesetzlich Versicherten wird dann eine ePA eingerichtet, sofern sie nicht widersprechen.
Zunächst werde vor allem eine Liste der verordneten Arzneien in die ePA eingestellt, erklärte Heinz. Ein Medikationsplan werde erst später folgen. Er soll die Arzneimittel, die Patient:innen nehmen, geordnet abspeichern, auch um mögliche Wechselwirkungen erkennen zu können. Auch andere Anwendungen wie etwa ein digitaler Impfpass werden später freigeschaltet.
KVB: Nur in Ausnahmefällen Daten sperren lassen
Patienten dürften auch nicht erwarten, dass Einträge, die Arztpraxen vornehmen, sofort abrufbar sein werden, erklärte Heinz. Es könne vorkommen, dass Diagnosen oder Informationen über Behandlungen erst mit mehreren Wochen Verzögerung gespeichert werden. Grund seien unter anderem abrechnungstechnische Vorgaben.
An Patientinnen und Patienten appellierte Heinz, nur in Ausnahmefällen von ihrem Recht Gebrauch zu machen, einzelne Informationen zu sperren. Die ePA könne in der Patientenversorgung sinnvoll sein, sagte Heinz. Voraussetzung sei aber, dass sie korrekt geführt werde.
Viele offene Fragen beim Umgang mit Minderjährigen
Keine allzu hohen Erwartungen an die ePA äußerten zuletzt auch die Kinderärzte. Wenn Eltern keinen Einspruch erheben, bekommen auch Kinder mit der Geburt eine digitale Akte; im Alter von 15 Jahren bekommen Jugendliche dann selbst die volle Entscheidungsgewalt. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt:innen (BVKJ) sieht noch große Probleme für den Praxisalltag. Mit einem Schreiben haben sie sich unter anderm an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewandt.
Was, wenn die Sorgeberechtigten unterschiedliche Wünsche äußern, was in der ePA ihrer Kinder gespeichert werden soll? Reicht der Widerspruch eines Elternteils aus, um die ePA nicht anzulegen? Werden hochsensible Daten, die zu Stigmatisierung oder Diskriminierung führen könnten, verpflichtend abzulegen sein, auch wenn die Ärzt:innen überzeugt sind, dass dies nicht im Interesse des Kindes ist? Wer sorgt dafür, dass Elternteile, denen das Sorgerecht entzogen wird, keinen Zugriff mehr haben? Für die Kinderärzt:innen sind hier noch viele Fragen ungeklärt.
Auch Jugendliche unter 15 Jahren hätten ein Anrecht auf Datenschutz gegenüber ihren Sorgeberechtigten, beispielsweise bei Verhütungsberatung und Verordnung von entsprechenden Mitteln. „Wir begrüßen eine moderne und funktionale digitale Patientenakte. Aber solange die von uns benannten Probleme nicht gelöst sind, werde ich Sorgeberechtigten und Patient:innen dazu raten, die Entscheidung über ihre Teilnahme an der ePA sorgsam abzuwägen“, so Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ. Die zukünftige Bundesregierung müsse hier nachbessern.
Die KVB schließt sich diesen Forderungen an. Und auch die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verabschiedete bereits einen Beschluss, demzufolge die ePA bei Minderjährigen von einem Opt-Out- auf ein Opt-In-Modell umgestellt werden müsse. Minderjährige könnten keine Verantwortung für spätere Nachteile übernehmen. Abrechnungs- und Diagnosedaten der Versicherten müssten so in die ePA eingestellt werden, dass sie nur vom Versicherten selbst eingesehen und nur bei Bedarf anderen behandelnden Personen zur Verfügung gestellt werden könnten. Krankenkassen müssten zudem sachgerechter und sehr viel umfangreicher aufklären.