Wie kann die elektronische Patientenakte (ePA) die Medikationssicherheit erhöhen und welche Rolle übernehmen Apotheken? Und werden die Versender wirklich abermals diskriminiert? Diese Fragen standen im Fokus einer Diskussionsrunde auf der Digital Health Conference.
„Wir wünschen uns, dass die ePA zu dem wird, was sie sein soll – ein Instrument, um Patienten sicher durch die Arzneimitteltherapie zu begleiten“, erklärte Dr. Ina Lucas, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin. Alle Daten rund um die Medikation müssten dazu immer aktuell sein, damit Apothekerinnen und Apotheker direkt in die Beratung einsteigen können. Es sei auch im Hinblick auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel und die älter werdende Bevölkerung wesentlich, hier keine Zeit zu verlieren. „Wir sehen die komplette Medikation und können konkret am Patientennutzen arbeiten, gezielt Menschen ansprechen und so viel mehr Prävention bieten“, so Lucas.
Redcare-CEO Olaf Heinrich sieht in der ePA großes Potenzial, etwa zur Steigerung der Effizienz im Gesundheitswesen und zur Stärkung der Patientenautonomie. Allerdings kritisiert er die strengen Sicherheitsmaßnahmen, die den Versandhandel benachteiligen würden. „Wir können nicht von unseren Kunden erwarten, dass sie ein kompliziertes Post-Ident-Verfahren durchlaufen“, erklärte er. Nur 2 Prozent der Bevölkerung verfügten über eine digitale Identität, was viele digitale Angebote wie Telepharmazie oder Telemedizin unmöglich mache.
„Der Versand wird hier diskriminiert, weil die Digitalisierung oft nur stattfindet, wenn die Gesundheitskarte in der Apotheke oder Praxis vor Ort gesteckt wird. Wir müssen von diesen hohen Standards herunterkommen“, forderte Heinrich und warb für das CardLink-Verfahren als niedrigschwellige Lösung.
Auch Lucas plädierte allerdings dafür, den Patientinnen und Patienten verschiedene Zugangswege zur Apotheke zu eröffnen, auch digital. Es gebe Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht persönlich in die Apotheke kommen könnten. Dafür sei es wichtig, das Vertrauen der Patienten in den sorgsamen Umgang mit ihren Daten zu stärken. Apotheken hätten hier eine Schlüsselrolle als niedrigschwellige Gesundheitszentren, die im direkten Kontakt mit den Menschen stünden.
Persönliche Betreuung sei vor allem bei Arzneimittelsicherheit unerlässlich. „Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) sind ein Paradebeispiel dafür, wie wir die Arzneimitteltherapie sicherer machen können“, erklärte Lucas. Als Beispiel nannte sie inhalative Arzneimittel, bei deren Anwendung es oft zu Fehlern komme, ohne dass Patienten sich dessen bewusst seien.
Heinrich sieht hier jedoch Verbesserungsbedarf im digitalen Bereich. pDL seien unter der Bedingung eingeführt worden, dass sie nicht digital angeboten werden dürften – ein Problem, wie er meint. Die ersten 80 Prozent der Fehler bei der Anwendung von Inhalatoren ließen sich seiner Meinung nach zum Beispiel digital, etwa mit Videos, lösen. Für den Rest sei dann die persönliche Beratung vor Ort nötig. Angesichts des Fachkräftemangels und der alternden Bevölkerung müsse ein erster Schritt niedrigschwellig, kostengünstig und KI-gestützt digital erfolgen, bevor die persönliche Beratung vor Ort anschließe.
„Wir müssen die gesamte Kette nutzen – von Online-Angeboten bis zur Vor-Ort-Betreuung“, betonte er. Auch bei Pharmazeuten sei schließlich der Nachwuchs knapp.
Lucas ist zwar überzeugt, dass die Digitalisierung unumgänglich ist, mahnte aber zur Vorsicht: „Es ist nicht garantiert, dass ein Patient durch ein Video die richtige Anwendung sicher erlernt.“ Auch Dr. Armin-Farid Aly von der Bundesärztekammer sieht das kritisch, denn bevor ein Patient ein Video zur richtigen Anwendung im Internet suche, müsse ihm zunächst bewusst sein, dass er etwas falsch mache – hierzu brauche es den direkten Kontakt mit einem Arzt oder Apotheker. Die Digitalisierung dürfe schließlich nicht dazu führen, dass Menschen mit administrativen Aufgaben ausgelastet würden, während Maschinen die persönliche Beratung übernehmen.
Aly und Jana Hassel von der BSG Selbsthilfe betonten außerdem, wie wichtig es sei, Patienten aktiv in den digitalen Wandel einzubinden. Denn um Arzneimittelsicherheit zu erreichen, brauche es verschiedene Stellschrauben, schließlich gehörte neben der richtigen Wahl der Medikamente auch im Hinblick auf Wechselwirkungen auch die Therapietreue hinzu. So würden Patienten beim Arzt zum Beispiel häufig dazu tendieren, nur verschreibungspflichtige Medikamente aufzulisten, obwohl auch OTC-Arzneimittel Nebenwirkungen hätten und Wechselwirkungen auslösen könnten.