Ärzte- und Patientenvertreter

ePA noch nicht marktreif – Verbände warnen Laura Schulz, 30.09.2024 14:03 Uhr

Die ePA steht in den Startlöchern. Ob die Umsetzung klappt, scheint fraglich. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Heute stellt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die neue Kampagne zur elektronischen Patientenakte (ePA) vor, die als „ePA für alle“ im kommenden Jahr flächendeckend umgesetzt werden soll. Von verschiedenen Verbänden gibt es hierzu aber noch Gegenwind – vor allem von Ärzte- und Patientenvertreter:innen. „Zum Start der elektronischen Patientenakte wird es zu Problemen kommen“, mahnt etwa der Sozialverband VdK.

Im Januar 2025 startet die neue ePA zunächst in den Testregionen Franken und Hamburg, bundesweit soll es am 15. Februar losgehen. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sieht die ePA als Chance, dafür müssten jedoch alle an einem Strang ziehen: „Wir bereiten die Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen umfassend auf die ePA vor. Natürlich wollen wir, dass die ePA ein Erfolg wird – denn sie bietet im Idealfall viele Chancen. Allerdings reden wir derzeit noch über ein Produkt, das wir nicht kennen, mit vielen Unbekannten.“

Aus Sicht der Ärzt:innen sei hier noch einiges zu tun: „Alle Beteiligten müssen ihre Aufgaben erfüllen. Geschieht das rechtzeitig und planmäßig, kann die Einführung der ePA erfolgreich gelingen“, so Steiner weiter. Schwierig sei hier auch die kurze Testphase: „Sorgen bereitet uns die Tatsache, dass eine Erprobungsphase von lediglich vier Wochen in den Modellregionen vorgesehen ist. In dieser kurzen Zeit müssen Fehler erkannt und behoben werden. Das ist aus unserer Sicht eine große Herausforderung.“

Auch die Anbieter der mehr als 100 Praxisverwaltungs-Software-Programme (PVS) arbeiten derzeit unter Hochdruck an der technischen Umsetzung – für die Praxen aktuell eine Black Box. „Erst wenn alle Programme ‚ePA-fit‘ sind, ist den Praxen jeweils die Nutzung der ePA auch möglich. Wir müssen uns hier auf das BMG und die Gematik verlassen können, dass sie die notwendigen und richtigen Rückschlüsse aus der Testphase ziehen“, erklärt Steiner. Die Krankenkassen seien nun ebenfalls gefordert: Sie müssten ihre Versicherten jetzt umfassend informieren: „Es kann nicht sein, dass die Aufklärungsarbeit am Ende in den Praxen hängenbleibt.“

„Praxen sind kein Testfeld“

Holger Rostek, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), warnte zudem von einer zu unrealistischen Erwartungshaltung. „Die ePA wird zu Beginn nur wenige Daten enthalten und sich erst nach und nach füllen, etwa durch E-Rezepte.“ Neue Software-Module hätten zuletzt aber immer wieder den Praxisalltag gestört, das dürfe hier nicht wieder passieren. „Praxen dürfen nicht erneut als Testfeld für unausgereifte IT-Produkte herhalten. Die ePA muss von Anfang an technisch reibungslos funktionieren, sonst wird sie zur Belastung statt zur Entlastung“, so Rostek weiter.

Auch die Finanzierungsfrage müsse geklärt sein, damit die Praxen nicht auf den Umstellungskosten sitzen bleiben. Die Einführung zur Erkältungswelle im Januar sei schwierig, Praxen müssten arbeitsfähig gehalten werden. „Unsere Praxen sind keine IT-Beratungsstellen. Die Verantwortung, Patientinnen und Patienten über die Funktionen der ePA aufzuklären, liegt bei den Krankenkassen, nicht bei den Arztpraxen“, betonte auch Rostek.

Aufklärungskampagne zu Schwachstellen

Der Ärzteverband Medi Baden-Württemberg äußerte sich zuletzt kritisch bezüglich der bisherigen Aufklärung zur ePA. Diese sei nicht transparent genug, weshalb es nun sogar eine Aufklärungskampagne gibt. Die zu kurze Testphase und ungeklärte Datenschutzfragen seien bedenklich. Man befürworte die Digitalisierung durchaus, „wir sind jedoch davon überzeugt, dass die elektronische Patientenakte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht marktreif ist. Darin sehen wir Gefahren“, mahnt Kardiologe und Vorsitzender Dr. Norbert Smetak.

Schon jetzt sei die Lage in den Praxen äußerst angespannt; weitere Verzögerungen und lahmgelegte Praxen könne man sich nicht erlauben. Auch sei es nicht an den Praxen, die Patient:innen zur ePA aufzuklären. Hinzu kämen Bedenken zum Datenschutz. Mit der neuen Kampagne können Praxen Patient:innen und Politik per Infoblatt, Plakat und Social-Media-Video auf ungeklärte Fragen und Schwachstellen der ePA aufmerksam machen.

VdK fordert absolute Barrierefreiheit

Die VdK-Präsidentin Verena Bentele sieht durchaus Vorteile in der ePA. „Doch mit dem Start der ePA wird es auch zu Problemen kommen: Schon jetzt ist klar, dass für viele der Anmeldeprozess, den es braucht, um seine Daten einsehen zu können, viel zu kompliziert ist.“ Ob die entsprechenden Apps und Webseiten künftig so barrierefrei sind, dass auch wirklich alle Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben, sei ebenfalls fraglich.

Bestimmte Gruppen dürften hier nicht einfach außen vor bleiben. „Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Menschen ohne Smartphone müssen gleichermaßen an ihre Gesundheitsdaten kommen und diese barrierefrei lesen können.“ Bentele fordert Patient:innen dazu auf, etwaige Barriere unbedingt zu melden. Bisher veröffentlichte Apps seien zu beanstanden, abgelegte PDF-Dokumente wie Arztbriefe oder Laborberichte sind aktuell noch nicht barrierefrei.