Während seines heutigen Vortrages bei der Digital-Health-Messe DMEA kündigte der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an, mit der elektronischen Patientenakte (ePA) nun doch nicht direkt in den bundesweiten Rollout zu gehen. Stattdessen soll die Testphase schrittweise erweitert werden. Die Ärzteschaft befürwortet dieses Vorgehen.
Während es von der AOK-Chefin Dr. Carola Reimann direkt harte Kritik zum Aufschub hagelte, überwiegt bei den Ärzt:innen der Zuspruch. „Eine schrittweise und zunächst freiwillige Einführung der ePA, wie heute vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister angekündigt, ist folgerichtig und konsequent. Es ist gut, dass sowohl die Erfahrungen aus den Testpraxen als auch unsere Hinweise aufgenommen bzw. gehört wurden. Positiv werte ich die Aussage des Ministers, dass auch künftig niemand sanktioniert werden soll, der unverschuldet die ePA nicht einsetzen kann“, so Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Auch Dr. Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA), spricht von „guten Nachrichten“. Der „sanfte Rollout“ gebe den Praxen bundesweit zunächst die Möglichkeit, freiwillig zu entscheiden, ob und wie sie mit der ePA arbeiten wollen. „Erhält die ePA neue Funktionen, sollen diese im Vorfeld erst gründlich getestet werden. Funktioniert die ePA in bestimmten Praxisverwaltungssystemen nicht, müssen die Praxen nicht mit finanziellen Abzügen rechnen“, fasst er Lauterbachs Aussagen zusammen.
Damit werde der Druck genommen. „Das werden die Vertragsärzte und Psychotherapeuten wohlwollend aufnehmen“, so Böhme. Digital-affine Praxen würden nun durchstarten, andere würden sich nach und nach auch darauf einlassen. „Und wenn alles läuft, werden die Ärzte und Psychotherapeuten den schnellen Überblick über Behandlungsstand und Gesundheitszustand des Patienten schätzen, davon bin ich überzeugt. Vorausgesetzt, die ePA-Integration stört den Praxisablauf nicht und der Patient lässt von jedem Arzt die komplette Patientenakte einsehen und befüllen.“
Auch bei der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), wo man selbst am bisherigen ePA-Testlauf beteiligt ist, wird Lauterbachs Ankündigung begrüßt. „Es ist unbedingt positiv zu bewerten, dass die Stimmen aus der ärztlichen Selbstverwaltung und insbesondere aus den Testpraxen beim Minister offenbar Gehör gefunden haben“, so Anke Richter-Scheer, stellvertretende KVWL-Vorstandsvorsitzende. „Eine sofortige Nutzungsverpflichtung hätte der elektronischen Patientenakte zum gegenwärtigen Zeitpunkt erheblichen Schaden zugefügt, große Unsicherheit in der Nutzung und Akzeptanzprobleme wären die Folge gewesen.“
Die KVWL habe sich bereits vorab für den nun geplanten gestuften Einführungsprozess ausgesprochen. „Eine Nutzungsverpflichtung der ePA kann es erst dann geben, wenn sie im Praxis-Alltag reibungslos läuft“, dann könne sie „ein echter Gamechanger sein“, so Richter-Scheer weiter. „So weit ist die Entwicklung der ePA allerdings noch nicht. Gemeinsam mit allen Beteiligten werden wir die kommenden Wochen intensiv nutzen, um den Reifegrad der ePA weiter zu verbessern.“
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