Erstmal keine Sanktionen für Praxen

ePA: „Abwarten und vorbereiten“ Laura Schulz, 03.12.2024 14:37 Uhr

Erstmal kommen lassen: Die ePA startet vorerst nur in den Testregionen, betonen die Brandenburger Ärzte – für alle Praxen außerhalb von Hamburg, Franken und NRW heiße das: abwarten. Foto: shutterstock.com/Dragana Gordic
Berlin - 

Die elektronische Patientenakte (ePA) kommt als „ePA für alle“ zunächst in den Modellregionen zum Testen. „Bei positiven Erfahrungen nach der etwa vierwöchigen Pilotphase schließt sich die bundesweite Einführung und damit verbunden die verpflichtende Nutzung der neuen ePA für alle medizinischen Einrichtungen an“, so die Gematik. Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) und auch die Freie Ärzteschaft warnen vor dem Start; immerhin sollen die den Praxen drohenden Sanktionen ausgesetzt werden.

Holger Rostek, IT-Vorstand der KVBB, mahnt: „Die Technik ist noch nicht ausgereift, und es wird Startprobleme geben.“ Es gelte nun erst einmal abzuwarten und sich vorzubereiten. Da Brandenburg an der Pilotphase nicht beteiligt ist – diese findet in Franken, Hamburg und Nordrhein-Westfalen statt – geht es hier frühestens ab Februar 2025 los. „Diese Verzögerung ist notwendig“, betont Rostek. „Wir brauchen diese Zeit, damit die Software ausgreift und fehlerfrei in die Brandenburger Praxen kommt.“

„Die ersten Wochen und Monate werden sicher nicht reibungslos verlaufen“, meint er zudem. „Nur mit Geduld und der richtigen Vorbereitung schaffen wir diesen wichtigen Schritt in die digitale Zukunft.“ Bei Fragen stünden den Patient:innen ihre Krankenkassen Rede und Antwort. „Das ist nicht die Aufgabe der Arztpraxen“, stellt Rostek klar. „Die Ärztinnen und Ärzte müssen sich gerade jetzt in der Erkältungs- und Infektzeit auf Diagnostik und Behandlung konzentrieren. Sie und die Praxisteams sind keine IT-Berater.“

Freie Ärzteschaft sieht viele Probleme

Massive Kritik kommt währenddessen von der Freien Ärzteschaft (FÄ). Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte und Diplominformatiker Professor Ulrich Kelber sagte zum FÄ-Jahreskongress, dass auf das Gesundheitswesen nun eine unvollständig getestete „tiefgrüne Schrumpelbananensoftware“ zukomme. Reifen solle diese dann erst in den Praxen. Er kritisierte zudem Sicherheitslücken, veraltete Technikkomponenten, die zentrale Datenspeicherung und die Opt-out-Regelung. Die Testphase sollte zudem auf ein halbes Jahr ausgeweitet werden, empfahl er.

Ärztin moniert Drei-Tage-Zugriff für Apotheken

Dr. Silke Lüder, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Stellvertretende Bundesvorsitzende der FÄ, sah beim Kongress auch berufsrechtliche und strafrechtliche Probleme hinsichtlich der Schweigepflicht für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen. Zwei Millionen Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesens könnten nun einfach die ganze Krankengeschichte eines Bürgers lesen, mahnt sie. „Nur nach dem Einlesen der Versichertenkarte in der Apotheke beim Einlösen eines E-Rezepts kann das ganze Team dort drei Tage lang alle Arztbriefe lesen! Ein Unding“, so Lüder.

Alle Referent:innen des Kongresses kritisierten zudem die aktuellen Werbekampagnen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und der Kassen scharf. „Die Werbekampagne suggeriert, dass es bei der künftigen Krankheitsdatensammlung nur um die Verbesserung der medizinischen Behandlung gehe. Dabei zeige sich jetzt gerade, dass eher der Verkauf unserer Daten an die Monopolisten Meta, Open AI und Google das vorrangige Ziel sei“, so Allgemeinmedizinerin Lüder in Berlin. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) beteiligten sich daran „völlig unkritisch“, „statt sich aktiv um den Schutz der ärztlichen Schweigepflicht und der grundrechtlich geschützten informationellen Selbstbestimmung der Bürger zu kümmern“.

Erst einmal keine Sanktionen für Praxen

Das BMG hat währenddessen der KBV zugesichert, dass den Praxen vorerst doch keine Sanktionen drohen, wenn am 15. Januar das aktuelle ePA-Modul nicht installiert ist, berichtet die KBV. Dies gelte zumindest, „solang der bundesweite Rollout nicht erfolgt ist“. Ursprünglich sollten alle Praxen am 15. Januar 2025 zur ePA-Nutzung befähigt sein, sonst drohe eine Honorarkürzung um 1 Prozent sowie eine geringere TI-Pauschale.

Eine entsprechende Überprüfung soll nun aber erst stattfinden, „wenn der Rollout bundesweit erfolgt sei. Dies werde, so das BMG, voraussichtlich erst nach dem ersten Quartal 2025 der Fall sein“, informiert die KBV. Die Meldung schließt sich nun der Info an, dass auch alle Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS) mehr Zeit bekommen, um ihre angepassten Systeme bundesweit den Praxen zur Verfügung zu Stellen. Hier liege zunächst der Fokus nur auf den Modellregionen.

„Der neue Rolloutplan des BMG nimmt unnötigen Druck von allen Beteiligten“, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Die PVS-Hersteller könnten nun länger testen, bevor die ePA-Module an alle Kunden ausgeliefert werden. „Die Praxen brauchen ausreichend getestete Systeme, die auch funktionieren.“ Auch das Aussetzen der Sanktionen sei dringend notwendig: „Mit Sanktionen lässt sich die Digitalisierung nicht vorantreiben. Im Gegenteil: Sie schaden der Akzeptanz und müssen komplett gestrichen werden.“ Am 4. Dezember sollen die Praxen den ersten Einblick in die umgebauten PVS bekommen.