Kommentar

Ein Friede ohne Friedenspflicht

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Berlin -

Der EINSTIMMIGE Beschluss ist vermutlich der größte Erfolg der Gematik bei der Einführung des E-Rezepts. Der neue Fahrplan ermöglicht sowohl der Politik als auch der aufgebrachten Ärzteschaft eine gesichtswahrendes Abnicken. Es ist für alle was dabei: Digitalisierungsfans und -skeptiker – nur die Apotheker:innen stehen ein bisschen am Rand, kommentiert Alexander Müller.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte ein Machtwort in die Hauspost gegeben und allen Praxen in Schleswig-Holstein und Bayern die verpflichtende Einführung des E-Rezepts im September auferlegt. Allen Praxen in zwei Ländern – über das Zustandekommen dieses Plans gab es viel Rätselraten. Und noch mehr Ärger: Über politische Erpressung und Burn-out-Gefahr in den Praxen wetterten die Ärzte.

Für den gestrigen Showdown bei der Gesellschafterversammlung der Gematik war dann alles angerichtet. Zwar hält das BMG hier die Mehrheit, aber alle wissen, dass die KBV de facto über ein Vetorecht verfügt. Also musste man sich einigen. Und da zwischen Flächenzwang und Totalabsage viel Raum für Verhandlungen ist, konnte man sich am Ende auf das jetzt gewählte Modell verständigen. Das BMG lobt die Einigkeit, die KBV fühlt sich mit ihren Bedenken ernstgenommen – Friede, Freude, E-Rezept.

Zwei freiwillige KVen treten vor und versuchen über den Sommer möglichst viele Praxen für das Projekt zu gewinnen, bevor es im September etwas ernster wird. Das klingt nach einem vernünftigen Plan, weil so zunächst in den digitalisierungsfreudigen Praxen wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden können.

Für die Apotheken hat sich nichts verändert: Sie sollen weiterhin bundesweit im September einsatzbereit sein. Das sieht aber nur auf den ersten Blick nach einer Ungerechtigkeit aus. Im Grunde spielt es keine große Rolle: Die noch etwas hinterherhinkenden Softwarehäuser ADG und CGM Lauer müssen ihre Warenwirtschaft sowieso „ready“ haben, wenn es in den Testregionen losgeht. Und da alle Ärzt:innen eingeladen sind, das E-Rezept schon zu nutzen, sollten lieber auch Landapotheken im Thüringer Wald oder dem Breisgau sie annehmen können.

Was in der Tat wundert: In keiner Mitteilung ist davon die Rede, dass der Deutsche Apothekerverband (DAV) im Gesellschafterkreis eine Friedenspflicht für die Apotheken herausgehandelt hätte. Auch in der Beschlussfassung wird eine solche Vereinbarung über Nachsicht bei Retaxationen nicht erwähnt. Sollte es dazu keine bilaterale Abstimmung des DAV mit dem GKV-Spitzenverband mehr geben, hätten die Apotheker in der Wünsch-dir-was-Runde bei der Gematik sicherlich eine Chance vertan.

Neben Retaxationen befürchten die Apotheken aber vor allem ein Abwandern der Rezepte in den Versandhandel. Ein Online-Rx-Marktanteil von etwa 10 Prozent würde den Vor-Ort-Apotheken so massiv schaden, dass mit einer deutlich beschleunigten Schließungswelle zu rechnen wäre. Und es gibt durchaus Prognosen, die von noch höheren Werten ausgehen.

Doch auch die Versender müssen noch bangen. An der Börse haben die neuen Pläne für gemischte Gefühle gesorgt. Zwar ist die Erleichterung über einen halbwegs verbindlichen Plan spürbar, doch fehlt den Analysten das Wort „Verpflichtung“ im neuen Testkonzept. Für die Versender bleibt der Markt zumindest in diesem Jahr noch schwer kalkulierbar. Wie er sich entwickelt, hängt von den politischen Rahmenbedingungen und den Angeboten der Apotheken ab.

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