„Die Chance in der ortunabhängigen Verschreibung” Alexander Müller, 08.09.2022 15:13 Uhr
Der Allgemeinmediziner Dr. Nicolas Kahl ist ein Digital-Verordner der ersten Stunde. Seit Februar stellt er in seiner Nürnberger Praxis ausschließlich E-Rezepte aus. Zusammen mit dem Kollegen Moritz Eckert aus dem Harz war er in der Startphase für die Hälfte aller ausgestellten E-Rezepte verantwortlich. Bei der Zukunftskonferenz VISION.A powered by APOTHEKE ADHOC erklärte Kahl, welche Vorteile die Praxen vom E-Rezept wirklich haben.
Aktuell werden auch in der Praxis von Kahl die meisten E-Rezepte noch ausgedruckt. Das findet er für eine Phase des Übergangs nicht schlimm. Dennoch hatte er größere Hoffnungen in die Gematik-App gesetzt, die bislang aber kaum zum Einsatz kommt. Damit könnten zum Beispiel die Patient:innen und das Praxisteam ebenso an neue Verordnungen erinnert werden. Den großen Vorteil für die Versicherten sieht Kahl in ersparten Wegen.
Auch deshalb findet er das Einlösen der E-Rezepte über die eGK kein gelungenes Verfahren. Die Versicherten müssten dann immer noch in die Praxis oder zumindest in die Apotheke, um ihre Karte einzulesen. Gerade mit Blick auf die Therapietreue sei es aber wichtig, den Weg zu erleichtern: „Je kleiner die Hürde für den Patienten, das Medikament zu bekommen, desto eher nimmt er sie ein“, so Kahl.
Ganz wichtig sei, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) endlich eine große Kampagne zur Einführung des E-Rezepts starte. Denn derzeit sei das Erklären der App in der Praxis extrem zeitaufwendig. Er würde sich wünschen, dass Ärzte und Apotheker zum Beispiel durch Ausweiskontrolle die Gematik-App für ihre Patient:innen freischalten können.
Auch in seiner Praxis hat er gesehen, welche kleinen Dinge manchmal entscheiden sein können: So wurden die Muster-16-Formulare von seinen MFA bislang auch genutzt, um kleine Klebezettel mit Hinweisen für ihren Chef vom Empfang ins Behandlungszimmer zu transportieren. „Das geht mit dem E-Rezept nun einmal nicht.“ Dafür gebe es viele Erleichertungen. Wie andere Ärzte hält auch er es für wichtig, das E-Rezept möglichst flexibel erstellen und unterzeichnen zu können.
Für die Praxisteams könne die Digitalisierung den Arbeitsalltag massiv verändern: „Wir sehen die Chance in der ortunabhängigen Verschreibung“, so Kahl. „Wir müssen davon ausgehen, dass auch Ärzte von zu Hause aus arbeiten wollen.“ Das sei derzeit zwar von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verboten, weil der Arzt in der Betriebsstätte arbeiten muss. Aber Kahl glaubt nicht, dass es diese Regel noch lange gibt. Warum sollten Ärzt:innen nicht teilweise von zu Hause aus Online-Sprechstunden durchführen? Das wäre gerade für jüngere Kolleg:innen auch die familienfreundliche Lösung.