Der neue Fahrplan für die Einführung des E-Rezepts soll Ende Mai von der Gematik beschlossen werden. Die Apotheken müssen vielleicht schon im September voll einsatzbereit sein. Doch auch wenn die Softwarehäuser bis dahin ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden sich die Teams in den Praxen und Apotheken an die neue Technik gewöhnen müssen. Dass dies besser schrittweise erfolgt, zeigen die aktuellen Erfahrungen an der Basis.
Apothekerin Dr. Susan Plietker aus Bremen ist technisch startklar und wollte das E-Rezept zusammen mit ihrem Hauptverordner testen. „Er war gar nicht abgeneigt, hat mich aber gefragt, wo für die Praxis die Vorteile liegen“, berichtet die Inhaberin der Kaisen-Apotheke. Außer dem Wegfall von Nachfragen der Apotheken und etwaigen Retaxationen für diese sei ihr aber auch nicht viel eingefallen.
Zunächst habe die Praxis sogar mehr Aufwand mit der Umstellung. Vielleicht müsse sich der Arzt einen neuen Drucker anschaffen oder zumindest seinen Rezeptdrucker umstellen, weil der QR-Code auf einem größeren Format ausgedruckt wird als das Muster-16. Und der Ausdruck werde zunächst die Regel sein, denn die App der Gematik nutze so gut wie niemand. Die meisten ihrer Kund:innen verfügten gar nicht über eine NFC-fähige eGK.
Plietker befürchtet, dass in der aktuellen Lage vor allem die Versandapotheken profitieren könnten, weil sie früher an die Rezepte kommen als bisher, wenn der Patient den QR-Code scannt und über eine App an den Versender schickt. Selbst wenn der Patient über eine Plattform eine Apotheke vor Ort auswählt, könnte das für diese am Ende zusätzlichen Aufwand im Botendienst bedeuten. „Dann habe ich das Medikament da und muss es trotzdem schicken, weil der Kunde das von zu Hause aus als Option gewählt hat.“
Der Arzt hat noch einen anderen Vorbehalt. Bei den elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) hat die Praxis die Erfahrung gemacht, dass nicht alle Krankenkassen diese empfangen könnten. Also gibt es eine Liste, an welche Kasse eine eAU geschickt wird und welche diese nach wie vor postalisch erhält. Der Arzt befürchtet, dass sich dieses Problem beim E-Rezept wiederholen könnte und der Praxis zusätzlicher Aufwand entsteht.
Sein Kollege Moritz Eckert testet das E-Rezept bereits ausgiebig. Sein Team am „Tresen“ hat damit zwar im Moment noch mehr Arbeit, aber der Allgemeinmediziner aus Herzberg am Harz ist technikaffin und will das Neue ausprobieren. Eckert stellt nach eigenen Angaben jedes dritte Rezept digital aus. Auch wenn er also durchaus als aufgeschlossener Nutzer angesehen werden kann, hat auch er Vorbehalte gegen eine zu schnelle flächendeckende Einführung. Denn in der Praxis tauchen immer wieder neue Herausforderungen auf, die unmöglich vorab alle bedacht werden könnten. Ein vertauschtes Zeichen bei der Dosierung habe zum Beispiel dazu geführt, dass eine Freitextverordnung erstellt werde. Und aktuell gebe es ein „Umlautproblem“.
Das alles erhöht für ihn derzeit den Kommunikationsbedarf. Es gebe mehr Nachfragen aus den Apotheken, auch weil diese zum Teil gar nicht wüssten, dass sie Verordnungen mit ihrem eHBA selbst bearbeiten können. „Das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss, das muss noch mehr getestet werden“, so Eckerts Zwischenfazit. Nur so ließen sich die Kolleg:innen überzeugen: „Wenn etwas besser ist, wird man das Bessere nehmen, anderenfalls nimmt man das Ersatzverfahren.“ Von der aktuell geplanten flächendeckenden Einführung in Bayern und Schleswig-Holstein zum 1. September hält er überhaupt nichts. „Das wird eine totale Bauchlandung. Wir brauchen die Lernkurve“, ist der Mediziner überzeugt.
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