Die Versender fiebern der Einführung des E-Rezepts entgegen. Damit es ab September zügig vorangeht, kann sich der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA), Christian Buse, Anreize für die Ärztinnen und Ärzte vorstellen.
Der vorgestern gefundene Kompromiss der Gematik-Gesellschafter höre sich gut an – aber ohne Verpflichtung oder Anreiz müsse man sehen, was wirklich passiere, so Buse zur Eröffnung des BVDVA-Kongresses in Berlin. Spannend sei, dass immerhin die Apotheken verpflichtet seien, E-Rezepte ab September einzulösen. „Das ist gar nicht so unwichtig, denn es schließt eine Lücke.“ Er verwies auf Ärzt:innen, die ihm geklagt hätten, ihre Apotheken seien noch nicht so weit.
„Alles andere braucht aber auch Geld, wie ich die Ärzte kenne“, so Buse. Er kann sich einen Bonus für Praxen vorstellen, die sich schnell beteiligen, oder einen Malus für diejenigen, die weiter Rezepte als Muster-16 ausstellen*. Als Beispiel für ein solches Vorgehen nannte er Bankgeschäfte: Hier müssten Kund:innen, die noch Überweisungsträger in die Filiale brächten, mehr bezahlen als solche, die den Geldtransfer online erledigten. Leider traue sich die Politik nicht, den Praxen solche Vorgaben zu machen. Dabei würde eine befristete Regelung über ein Jahr genügen. „Dann ist der Drops gelutscht.“
Aus seiner Sicht sind es ohnehin nur einzelne Stimmen, die aus Partikularinteressen heraus versuchten, das E-Rezept und die Digitalisierung im Gesundheitswesen auszubremsen. „Das sind diejenigen, die es nicht kennen. Aber das verwächst sich mit der nächsten Generation.“ Dass die Formulierung „freiwillig“ aus dem Vorschlag der Kassenäzrtlichen Bundesvereinigung (KBV) gestrichen wurde, sei gut. Leider sei aber auch die Verpflichtung aus dem Entwurf der Gematik verschwunden. Immerhin ein Novum: Der Beschluss sei einstimmig gefasst worden.
Genauso sieht es Apotheker Ralf König vom Verein E-Rezept-Enthusiasten. Mit dem Beschluss sei erstmals die reflexartige Ablehnung der KBV gefallen. Nun müssten die beteiligten KVen in den Modellregionen alles unternehmen, um die Praxen zu motivieren. „Wenn nur 10 Prozent mitmachen, wäre schon eine Trendwende erreicht.“ Jetzt gehe es darum, die von der Regierung gedrückte „Pause-Taste“ wieder zu lösen – und darauf zu achten, dass nicht stattdessen doch noch die Stopp-Taste gedrückt werde.
Auch König ist für einen Malus ab dem kommenden Jahr. Aber als „Enthusiast“ will er vor allem weg vom Negativspirit, der dem E-Rezept anhaftet. Statt auf Pflicht und Strafe zu setzen, solle man Begeisterung entfachen. „Ja, es gibt Risiken beim E-Rezept, aber die muss man politisch abfedern“, sagte er mit Verweis auf das Retaxrisiko, das der Deutsche Apothekerverband (DAV) bislang nicht wegverhandelt habe.
Mit einer Verpflichtung habe man es dagegen schon erfolglos versucht, „aber leider haben uns schon die Softwareanbieter im Stich gelassen“. Zur ursprünglich geplanten Einführung am 1. Januar wäre fast kein Apothekendienstleister bereit gewesen, und auch jetzt – sechs Monate später – seien zwei Systeme noch nicht so weit. „Das ist nicht statthaft, das darf nicht passieren.“ Bei den Arztsystemen sehe es noch schlimmer aus. Für die Übergangszeit findet er auch Brückenlösungen wie das ausgedruckte E-Rezept sinnvoll, weil es dem Patienten Sicherheit gibt und in den Praxen nicht auch noch die App installiert werden muss.
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, widersprach prompt. Man müsse dafür sorgen, dass sich auch die Patient:innen schnell auf die neuen Tools einstellen. „Der erste Schritt nervt doch immer bei der Digitalisierung, aber wenn man ihn einmal gemacht hat, dann profitiert man auch vom Mehrwert.“ Aus seiner Sicht ist die Politik gefragt, pragmatische Lösungen voranzutreiben, statt auch den letzten Aspekt bis zu Ende auszudiskutieren. „Es gibt nämlich immer Leute, die ein Haar in der Suppe finden müssen.“
Es sei eine völlig skurrile Diskussion, dass von der Politik verlangt werde, sicherzustellen, dass mit dem E-Rezept nie etwas schiefgehen könne. „Das ist doch genauso großer Blödsinn wie wenn die Politik meint, dass sie selbst die technologische Lösung vorgeben muss.“ Aus seiner Sicht ist die Gematik falsch aufgestellt, wenn sie als Player im Markt agiere: „Die Gematik sollte Standards setzen und Schiedsrichter sein, aber die eigentliche Entwicklungsarbeit sollten private Unternehmen übernehmen.“ Aufgabe der Politik sei es dagegen aufzupassen, dass die Technologie nicht missbraucht werde, um etwa Rezepte bestimmten Apotheken zuzuweisen. Er kritisierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dafür, dass er monothematisch unterwegs sei und in Sachen Digitalisierung, aber auch bei anderen gesundheitspolitischen Themen „nüscht“ geliefert habe.
Und wann kommt nun das E-Rezept in der Fläche? Sorge sagt 2024. König hofft auf 2023, zumindest was Arzneimittel angeht. Und da wäre Buse eigentlich auch dabei. „Aber nach allem, was wir schon erlebt haben, tendiere ich doch zu 2024.“
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hatte es geheißen, Buse fordere einen Bonus für Ärzte. Tatsächlich meinte er, dass sich mit dem Malus/Bonus-System die Einführung beschleunigen lassen kann. Als Beispiel unter anderen Möglichkeiten.
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