KV informiert Praxen

E-Rezept-Stopp: Die Hintergründe Alexander Müller, 22.08.2022 15:27 Uhr

Weil E-Rezepte nicht per Mail übermittelt werden dürfen, steigt die KV in Schleswig-Holstein aus. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) zieht sich aus dem für den September geplanten Roll-out des E-Rezepts zurück. Man befürchte, dass die Praxen in Haftung genommen werden, wenn der QR-Code missbraucht wird, heißt es intern zur Begründung. Das in Schleswig-Holstein stark vertretene Praxisverwaltungssystem (PVS) Medisoftware hatte den Versand des E-Rezepts via Mail als Königsweg etablieren wollen.

Der Versand von QR-Codes per Mail oder SMS sei von der Datenschutzbehörde untersagt worden – selbst nach persönlicher Zustimmung der Patient:innen, informiert die KV ihre Mitglieder und erklärt noch einmal das grundsätzliche Verfahren: Das E-Rezept wird aus dem PVS über die Telematikinfrastruktur (TI) an den Fachdienst der Gematik übergeben, die Patient:innen erhalten einen QR-Code als Schlüssel. Dieser ermächtigt die Apotheke nach dem Scan, das vollständige E-Rezept beim Fachdienst abzurufen und das Medikament abzugeben.

Jedoch: „Die Datenschutzbehörde teilt mit, dass die Versendung datenloser QR-Codes an versicherte Personen oder Apotheken bereits die Übermittlung von Gesundheitsdaten bedeute“, erklärt die KV. Und das Problem daran: „In der digitalen Welt können Sie als Ärzte/Ärztinnen auch für Fehlverhalten oder missbräuchliche Anwendung datenloser QR-Codes durch Dritte in Haftung genommen werden, wie wir jetzt erfahren. Daher muss die Funktionalität sofort nach Bekanntwerden zu Ihrem Schutz unterbunden werden.“

In Schleswig-Holstein hat der PVS-Anbieter Medisoftware aber genau auf diesen Weg gesetzt: 48 Prozent der bislang ausgestellten E-Rezepte wurden nach Angaben des Softwarehauses per Mail an den Patienten geschickt, weitere 35 Prozent per Mail an eine andere Adresse – also beispielsweise im Auftrag des Patienten direkt an die Apotheke. Nur in 16 Prozent der Fälle sei der QR-Code ausgedruckt worden, und die Gematik-App spielte mit 0,22 Prozent so gut wie keine Rolle.

Medisoftware habe daher bereits am Freitag die Praxen darüber informiert, dass die Funktion abgeschaltet werden müsse. Laut KV ist der digitale Weg des E-Rezepts damit für etwa 99 Prozent aller Verordnungsfälle unterbunden. Das restliche 1 Prozent verteilt sich demnach so:

Gematik-App

Die Gematik-App könne kaum genutzt werden, weil die Versicherten keine NFC-fähigen Smartphones hätten und zudem das Videoindentverfahren gestoppt sei. Selbst wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, bleibe immer noch die Frage, ob der 6-stellige Anmeldecode immer zur Hand sein wird. „Die Zeit wird zeigen, ob sich die App irgendwann als alltagstauglich für jedermann erweist“, zeigt sich die KV skeptisch.

KIM und Apotheken

Die Übermittlung des E-Rezept-Codes via KIM an die Apotheken bestehe erst, wenn diese mit KIM-Modulen und -Adressen ausgestattet seien. Momentan würde das aber nur auf eine Handvoll Apotheken in Schleswig-Holstein zutreffen. KIM sei auch keine Vorgabe der Gematik, um als „E-Rezept-ready“ zu gelten, zudem erhielten die Apotheken keine finanzielle Erstattung für das KIM-Modul.

eGK erst 2023

Der dritte Weg sei das eGK-Verfahren – aber das werde voraussichtlich nicht vor 2023 implementiert sein. Und das Einstellen eines E-Rezeptes in die elektronische Patientenakte (ePA) scheitere momentan noch an der Verfügbarkeit.

Die KVSH betont in ihrem Schreiben an die Mitglieder, dass der Rollout des E-Rezepts grundsätzlich unterstützt werde, weil damit eine „Entbürokratisierung des Massenprozesses Rezept“ erreicht werden könne. „Nach zwei Monaten intensiver Vorbereitung, Abklärung aller Wege und permanenter Absprache mit allen Akteuren sehen wir aktuell nicht, dass unser Ziel in den nächsten Monaten erreicht werden kann.“

Ausdruck hilft nur Apotheken

Das Verfahren, den QR-Code auszudrucken, stehe den Praxen weiterhin frei. Jedoch hält die KV davon nichts: Mit dem Papier-E-Rezept könnten die Praxen zwar üben, ansonsten ließe sich aber kein Mehrwert erzielen, auch den Patientinnen würden keine Wege erspart. „Mit einem Ausdruck erleichtern Sie ggf. zwar die Rezeptabrechnung für Apotheken, wir halten dies allerdings nicht für eine Aufgabe der Praxen“, so die KV. Und faxen dürften die Praxen die Tokens auch nicht, denn dies sei datenschutztechnisch ebenfalls unzulässig.

Abschließend heißt es: „Die Situation ist außerordentlich bedauerlich, hatten die Praxen doch erstmals Aussicht auf eine nutzbringende TI-Anwendung.“ Die KVSH werde sich unterstützend wieder einschalten, wenn gegebenenfalls durch Gesetzesanpassungen „und/oder technische Gematik-Aktivitäten eine Entbürokratisierung für Praxen und eine Alltagstauglichkeit absehbar ist“.