Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt nicht auf: Trotz der Niederlage vor dem Landgericht München I will er sein umstrittenes Nationales Gesundheitsportal weiter gegenüber privaten Anbietern von Gesundheitsinformationen privilegieren. Nachdem die Richter seinen Google-Deal kippten, soll nun die Gematik herhalten: Spahn will das E-Rezept und die elektronische Patientenakte zum Vehikel für die Inhalte seines Portals machen.
Die Gematik-App soll nicht nur an die Telematikinfrastrukur (TI) angebunden sein, sondern auch an das Gesundheitsportal des Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das geht aus dem Entwurf für das „Digitale-Versorgungs- und Pflege-Modernisierungsgesetz“ (DVPMG) hervor, das am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten wird. Demnach will Spahn die Gematik verpflichten, bis zum 1. Januar eine Schnittstelle zu erstellen, damit „den Versicherten die Informationen des Portals mit Daten, die in ihrer elektronischen Verordnung gespeichert sind, verknüpft angeboten werden können“, so der Gesetzentwurf.
Das heißt: Patienten sollen direkt zum E-Rezept redaktionelle Inhalte ausgespielt werden – und zwar nur staatliche, private Anbieter werden freilich nicht angebunden. Und nicht nur private Medienangebote will Spahn damit benachteiligen. Mittelfristig will er auch private Arztportale wie Jameda oder Doctolib übervorteilen: Bereits im Referentenentwurf des DVPMG fand sich die Verpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) „auf Suchanfragen der Nutzer nach bestimmten Vertragsärzten über das Nationale Gesundheitsportal […] arztbezogene Informationen an das Nationale Gesundheitsportal zu übermitteln“, darunter Namen, Adresse, Fachgebiet, Sprechzeiten, Barrierefreiheit und Abrechnungsgenehmigungen für besonders qualitätsgesicherte Leistungsbereiche.
Rechtlich begibt sich Spahn damit einmal mehr auf dünnes Eis. Schließlich hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erst kürzlich in einem Gutachten sein Portal auseinandergenommen und darauf verwiesen, in welch engen Grenzen Staatskommunikation zulässig ist. „Wenn Minister Spahn aber seinem Portal auch noch einen privilegierten Zugang über die E-Akte beziehungsweise das E-Rezept und damit einen strukturellen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Anbietern von Gesundheitsinformationen, die über solche Zugänge nicht verfügen, verschafft, halte ich das für höchst bedenklich“, kritisiert FDP-Gesundheitspolitiker Dr. Wieland Schinnenburg. „Mit anderen Worten: Die Medienhäuser finanzieren mit ihren Steuern zwangsweise ihre eigene Konkurrenz. Der Minister ist gut beraten, den Entwurf noch einmal sorgfältig zu überarbeiten.“
Dem Rat war Spahn allerdings auch zuvor schon nicht gefolgt: Mit einem dubiosen Handschlag-Deal hatte er seinem Portal im November eine bevorzugte Darstellung in der Google-Suche gesichert und damit Proteststürme verursacht. Mit dem Deal deklassiere das Ministerium die freien marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitsportale und setze alle Mechanismen der freien Information und damit der freien Meinungsbildung in unserer Demokratie außer Kraft, kritisierte beispielsweise der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ).
Auch die Opposition bohrte nach – und musste lesen, wie sich das BMG um klare Aussagen drückt. Es gebe „keine vertraglichen Beziehungen“ und keine verpflichtende Vereinbarung zwischen BMG und Google, der Suchmaschinenriese sei „jederzeit frei, die Informationen aus dem Nationalen Gesundheitsportal nicht mehr zu nutzen und stattdessen die Informationen anderer Portale in die sogenannte Infobox einzustellen“. Versuchte Spahn also, per unverbindlicher Abmachung mit Google-Europachef Philipp Justus den deutschen Pressemarkt im Gesundheitsbereich auszuhebeln? Laut BMG nicht, denn: „Weder das Nationale Gesundheitsportal selbst noch die Wiedergabe seiner Inhalte in Internetsuchmaschinen berühren den privatwirtschaftlichen Pressemarkt“, so das BMG in seiner Antwort.
Das Landgericht München I sah das bekanntlich anders und untersagte Anfang Februar die Zusammenarbeit im Eilverfahren. Der Burda-Verlag, der mit Netdoktor ein eigenes Gesundheitsportal betreibt, hatte sich gegen den Deal zur Wehr gesetzt. Der Betrieb des Nationalen Gesundheitsportals durch das BMG sei „keine rein hoheitliche Tätigkeit, sondern eine wirtschaftliche, die anhand des Kartellrechts zu prüfen ist“, erklärte die Vorsitzende Richterin. Private Informationsangebote seien insbesondere angesichts der marktbeherrschenden Stellung Googles – die die BMG-Anwälte mit einer kuriosen Argumentationsführung zu bestreiten versuchten – von einer guten Sichtbarkeit bei den Suchergebnissen abhängig. Eine Einschränkung dieser Sichtbarkeit benachteilige diese privaten Anbieter jedoch.
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