Datenschützer prüfen Übermittlung

E-Rezept: SMS-Versand als letzter Ausweg?

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Berlin -

In der kommenden Woche geht das E-Rezept in die Fläche – oder doch nicht? Nachdem Datenschützer die Übermittlung per unverschlüsselter E-Mail quasi untersagt haben, bleiben kaum praktikable Optionen: Die Gematik-App, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und elektronische Patientenakte (ePA) sind nicht annähernd weit genug verbreitet, um einen echten Roll-out zu ermöglichen. Aktuell wird geprüft, ob der Versand per SMS ein zulässiger Ausweg sein könnte.

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) hatte den Roll-out des E-Rezepts am Montag abgesagt, nachdem die Landesdatenschutzbeauftragte die unverschlüsselte Übermittlung per E-Mail für unzulässig erklärt hatte. Damit stagniere die Einführungsphase, bevor sie begonnen habe, so die Argumentation – praktikable Alternativen gebe es nämlich nicht: Die Gematik-App könne momentan kaum genutzt werden, weil es aufgrund fehlender Chips an NFC-fähigen Gesundheitskarten mangele. Und das Einstellen in eine elektronische Patientenakte (ePA) scheitere an deren minimalem Vorhandensein und der fehlenden Anbindung der allermeisten Apotheken an den Kommunikationsdienst KIM.

Bleibt im Grunde nur der Ausdruck auf Papier – den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schon vor Monaten als sinnlos abgetan hat. Und tatsächlich: Weder für die Telemedizin wäre der ausgedruckte QR-Code ein nutzbarer Weg, noch könnten sich Patient:innen so den Weg in die Praxis oder in die Apotheke sparen.

Die KV Westfalen-Lippe (KVWL) hält trotzdem am Rollout-Plan fest – teilt aber im Grundsatz die Bedenken: „Der Datenschutz ist beim Thema E-Rezept wichtig, weil die Kombination aus dem Token, der Information über den Versender und den Empfänger aus Sicht der Datenschutz-Behörden einen schützenswerten Gesundheitsdatensatz darstellt, der deshalb geschützt übertragen werden muss. Der unverschlüsselte Versand eines Token, des digitalen Schlüssels in Form eines QR-Codes, ist dementsprechend aus Sicht der Datenschutzbehörden nicht zulässig.“

Aus Sicht der KVWL kommen mehrere Übermittlungswege in Frage:

  • Die E-Rezept-App sei nach bisherigem Erkenntnisstand datenschutzrechtlich unbedenklich.
  • Ein Ausdruck des Tokens sei nach bisherigem Erkenntnisstand ebenfalls unbedenklich.
  • Zum potenziellen Übertragungsweg SMS gebe es derzeit noch keine datenschutzrechtliche Aussage des Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LDI NRW) und des Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), so die KVWL.
  • Auch die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für das Einlösen eines E-Rezepts unterliege derzeit noch einer datenschutzrechtlichen Überprüfung.
  • Die E-Mail als denkbarer Übertragungsweg sei aus datenschutzrechtlicher Sicht dann nicht zulässig, wenn der Token nicht verschlüsselt übertragen werde.

Gerade die Übermittlung über die eGK ist aber für die KVWL der Königsweg – ohne den das Modell nicht funktionieren werde. Thomas Müller, im Vorstand unter anderem für IT und Digitalisierung zuständig, stellt klar: „Wir erwarten von der Gematik, dem Bundesgesundheitsministerium und den Apothekenverwaltungssystem-Herstellern, dass das E-Rezept spätestens in drei Monaten mit der eGK übertragen und eingelöst werden kann. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezepts und nicht verhandelbar.“ Denn für ein digitales Angebot wie das E-Rezept könne es nur eine digitale Lösung zur Übertragung geben.

Die Gematik hält nichts von alternativen Übertragungswegen: „SMS oder E-Mail waren nie als sichere Einlösewege des E-Rezepts Bestandteil der Gematik-Spezifikationen, sondern eine individuelle, von nur sehr wenigen Herstellern angebotene Entwicklung der Software-Industrie. Die Gematik hat in der Vergangenheit bereits diesbezüglich auf Regulierungsbedarfe hingewiesen.“

Versendern droht Hängepartie

Für die Versender droht damit eine weitere Hängepartie. Schon jetzt gehen offenbar viele E-Rezepte an ihnen vorbei, weil oftmals in Zusammenarbeit zwischen Praxis und Apotheke vor Ort getestet wird. Walter Hess, CEO des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose, wollte keine konkreten Zahlen nennen, erklärte aber, dass der Anteil trotzdem dreifach höher als bei Papierrezepten sei. Durch gezielte Werbung in der Modellregion wolle man nun auf den eigenen Service aufmerksam machen.

Was die Versender aber dringend bräuchten, wäre eine Lösung zur datenschutzkonformen Übermittlung. Zwar sind sie als Apotheken – anders als Plattformen – an die Telematikinfrastruktur angebunden. Doch auch sie sind auf einen datenschutzkonformen Übermittlungsweg angewiesen. Derzeit wird der QR-Code häufig als Foto übermittelt. Die Nutzung der eGK kommt nicht in Frage, man fordere eine diskriminierungsfreie Alternative, so Hess. Fast wöchentlich seien die EU-Versandapotheken über ihren Verband in Gesprächen.

Eine Identifikation per Video, wie in der Telemedizin üblich, sieht Hess nicht als Lösung. Denkbar wäre ein Konzept wie in anderen Branchen, sagte er, ohne auf Nachfrage Details zu nennen. Womöglich schwebt den Versendern ein Modell wie bei der Kreditkarte vor, die im Geschäft eingesteckt wird und im Online-Verkehr über Eingabe der Nummer und CVV genutzt wird. Auch die eGK verfügt über die Möglichkeit, bestimmte Daten via PIN freizugeben. Dazu müsste sie allerdings in der Fläche verfügbar sein. Anderenfalls wird es wohl noch lange dauern, bis die vereinbarte Quote von 25 Prozent erreicht werden und der Roll-out in der nächsten Modellregion starten kann.

Erst 250, dann 500 Praxen

Zum Start der Rollout-Phase am 1. September sind in Westfalen-Lippe rund 250 Praxen dabei. Im Anschluss daran soll die Anzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sukzessive gesteigert werden, um die Funktionsfähigkeit des E-Rezepts in der Arbeitsrealität der Ärztinnen und Ärzte erproben zu können: In der nächsten Stufe sollen ab 1. Oktober maximal 500 Praxen mitmachen.

„Wir stellen beim Start ein eigenes E-Rezept-Team für die Beantwortung von Fragen und zur Unterstützung der Praxisteams zur Verfügung“, so ein Sprecher. Beispielsweise biete man Onboarding-Termine mit den Herstellern zur Einführung in die Anwendung. Außerdem könnten die Praxen fachliche Fragen stellen und Anforderungen oder auch Fehler melden, damit die KVWL diese bei den jeweiligen Beteiligten platzieren könne. „Geht es an den flächendeckenden Rollout, profitieren alle weiteren Praxen von den Erkenntnissen.“

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