Große Verunsicherung

E-Rezept: Retax-Risiko durch Arztbezeichnung?

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Berlin -

Auch an den Stellen, an denen das E-Rezept technisch läuft, sorgt es immer wieder für Verunsicherung. Viele Praxen und Apotheken stehen jetzt täglich vor Detailfragen, die oft nicht so einfach zu beantworten sind. So auch die Berufsbezeichnung der Ärzt:innen, die auf das Rezept gehört. Was muss dort stehen, damit die Apotheke retaxsicher unterwegs ist? Diese Frage ließ die Gematik zum flächendeckenden Start offenbar außen vor.

„Auf dem E-Rezept muss die Berufsbezeichnung der verordnenden Ärztin oder des verordnenden Arztes angegeben werden. Falls sie fehlt, darf die Apotheke sie nicht selbst im Freitext ergänzen. Die Apotheke muss bei der Arztpraxis ein neues E-Rezept mit Angabe der Berufsbezeichnung anfordern“, heißt es von der Gematik. Auf den Muster-16-Rezepten konnte dies hingegen von den Apotheken geheilt werden.

Die Landesapothekerverbände weisen nun in einem aktuellen Rundschreiben darauf hin, dass diese Heilungsmöglichkeit nicht für E-Rezepte vorgesehen ist. „In Fällen, in denen die Berufsbezeichnung fehlt, muss das E-Rezept wieder an den Fachdienst zurückgegeben werden.“ Das Thema ist auch in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) festgehalten: In § 2 Absatz 1 ist geregelt, dass die Berufsbezeichnung auf das Rezept gehört – jedoch nicht näher definiert, wie diese formal zu sein hat.

„Ich will kein E-Rezept mehr!“

Seit Apotheken hier nicht mehr die Möglichkeit haben, selbst zu korrigieren, steigt die Unsicherheit. Und der Frust: „Ich will kein E-Rezept mehr!“ Christina Zipfel arbeitet in der Barbara-Apotheke ihres Mannes Hans-Ulrich Zipfel im niederrheinischen Voerde und ist hier unter anderem für Hilfsmittel, Verträge und Retaxationen zuständig. Sie hat die Nase voll und sieht hier ein Fass ohne Boden: „Das ist ein massives Problem und das scheinen noch nicht alle Apotheken zu realisieren.“

Eigentlich geht es in dem Feld für die Berufsbezeichnung vor allem um die Unterscheidung zwischen Ärzt:innen, Zahnärzt:innen und Tierärztin:innen. Denn je nach Berufsgruppe dürfen bestimmte Medikamente nicht verordnet werden.

Doch in der Praxis kommen dort die unterschiedlichsten Definitionen vor – etwa die Fachrichtung, also zum Beispiel „Allgemeinmedizin“, statt der eigentlich für die Apotheken ausreichenden Bezeichnung. Theoretisch ist für die Apotheken die Nennung der Fach­arzt­richtung, also „FA für Allgemeinmedizin“, nicht notwendig, wird aber von den meisten Ärzt:innen in der Praxis so übermittelt. Einigen Apotheken reicht in der derzeitigen Verwirrung aber auch das einfache „Arzt“ nicht mehr aus. Sie wollen sicher gehen und lehnen solche Rezepte dann ab.

„Arzt“ oder „Facharzt“?

Auf welche Weise die Apotheken komplett retaxsicher unterwegs sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Dem Vernehmen nach wurde die Frage nach einem einheitlichen System der Berufsbezeichnung in der letzten Diskussionsrunde zwischen Softwarehäusern und Gematik erstmals am Mittwoch vorgelegt. Die Gematik sei nun dabei, das zu klären.

Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) würde das schon ewig so gehandhabt, wie es jetzt von den Apotheken bei den Rezepten moniert wird, so ein Mitarbeiter eines Anbieters von Praxissoftware. Konsequenterweise sei das dort dann auch falsch, Probleme mit den Kassen habe es aber nie diesbezüglich gegeben. Die Gematik müsse nun prüfen, was an dieser Stelle die zulässigen und unzulässigen Werte seien, aber auch beim PVS-Anbieter wünscht man sich das Arbeiten mit fest definierten Werten.

„Das haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Gematik verdaddelt“, so Zipfel verärgert. An die AMVV habe hier offenbar keiner gedacht und auch nicht daran, was geheilt werden kann und was nicht. Warum die Standesvertretung der Apotheken die Verträge dazu überhaupt unterschrieben hat, wenn es noch so viel zu klären gibt, ist ihr ein Rätsel.

„Ich habe gestern bis 23 Uhr hier gesessen wegen dieses blöden E-Rezepts!“ Gefühlt macht sie derzeit nichts anderes, als wegen E-Rezept-Problemen umherzutelefonieren, Mails zu versenden und zu Ärzt:innen zu fahren. „Da stehen übrigens auch lange Schlangen – wegen des E-Rezeptes!“ Die Praxen könnten das Problem selbst aus der Welt schaffen und den Praxisstempel in ihrer Software anpassen. Aus eigener Erfahrung weiß Zipfel, dass dazu nicht alle Ärzt:innen bereit oder in der Lage sind. Teilweise verstehen sie die Problematik nicht.

Ungewissheit bringt Chaos

„E-Rezepte müssen sowas von aufwendig bearbeitet werden. Es nervt nur noch. Ich habe hier zig Verordnungen liegen, die ich nicht beliefern kann, weil dieser blöde Stempel nicht passt“, sagt Zipfel. Und nebenbei versucht sie auch den umliegenden Praxen, verschiedenste Detailfragen zu erklären. „Was meinen Sie, wie viele E-Rezepte ich schon ausdrucken musste, um den Ärzten was zu erklären?!“ Sie komme bei all den Ungewissheiten in der Bearbeitung nicht mehr nach, die Praxen seien auch überfordert. „Da können Sie eine Selbstgruppe aufmachen.“

An andere Baustellen des E-Rezepts dürfe sie gar nicht denken. Hier fehle es überall noch an klaren Vorgaben und Regeln. „Die können in der Freitextverordnung alles verordnen, auch eine Waschmaschine!“ Und dass bei Retardationen der E-Rezepte bisher alles möglich zu sein scheint, gibt ihr zu denken. „Es gibt keine Regeln! Das gucken sich die Kassen jetzt erstmal in Ruhe an.“ Eine Frist gebe es schließlich nicht. Wer könne da schon wissen, wann die Apotheken für was retaxiert werden.

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