Konnektathon der Gematik

„E-Rezept-ready“: Warenwirtschaften scheitern an Abrechnung

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Berlin -

Die Apotheken seien „E-Rezept-ready“, wird seit einigen Monaten inflationär verkündet. Die Technik sei bereit und wenn es nur nach der Apotheken-EDV ginge, könnte man das E-Rezept eigentlich gleich nächste Woche einführen. Doch ist das wirklich so? Die Gematik hat am Dienstag und Mittwoch zum siebten Mal ihren sogenannten Konnektathon mit den Softwarehäusern und Abrechnern veranstaltet – und die Ergebnisse lassen die Apotheken alles andere als „E-Rezept-ready“ erscheinen. Denn empfangen und bearbeiten kann man elektronische Verordnungen zwar mit den meisten Warenwirtschaftssystemen, aber nicht abrechnen.

Keine vier Wochen sind es noch, bis das E-Rezept bundesweit ausgerollt werden soll. Nochmal vier Wochen später wird es gesetzlich verpflichtend. Und nach wie vor sind die allermeisten Warenwirtschaftssysteme nicht in der Lage, E-Rezepte zur Abrechnung zu bringen. Das ist eine der Erkenntnisse aus dem jüngsten Konnekthaton der Gematik. Bei den Testsessions kommen die Primärsystemhersteller zusammen, die die Schnittstellen zum E-Rezept-Fachdienst und die FHIR-Profile der KBV bereits implementiert haben, um den Lebenszyklus des E-Rezepts von der Ausstellung über die Bedienung bis zur Abrechnung zu simulieren. Laut Gematik waren am Dienstag und Mittwoch 90 Teilnehmer aus 39 Firmen beteiligt, darunter 24 Praxisverwaltungs- (PVS) und 13 Apothekenwarenwirtschaftssysteme sowie die beiden Abrechner König IDV und Scanacs.

Die Zahlen verraten schon einen ersten Zwischenstand mit Blick auf die Einführung: Von rund 120 PVS am Markt sind bisher nur 24 so weit, an der Testsession teilzunehmen. Laut Gematik waren 22 von ihnen am Montag erstmals bei einem Konnektathon. Die Rezeptzahlen klingen im ersten Moment ermutigend: 1727 E-Rezepte wurden laut Gematik in den beiden Tagen erstellt. Die Zahl der abgefragten Quittungen lag zusammen bei 151. Jene Quittungen fragt die Warenwirtschaftssoftware nach der Abgabe der Verordnung vom E-Rezept-Fachdienst ab. Auf ihrer Grundlage werden dann die Abrechnungsdatensätze für die Rechenzentren generiert. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis läuft das alles andere als rund. Dass die Gematik keine Angaben zu den abgerechneten Rezepten macht, sagt schon viel aus, auch wenn es sich bei der Erstellung der Abrechnungsdatensätze genau genommen nicht um ihre Aufgabe handelt.

„Ein kompletter Durchlauf von Verordnung bis Abrechnung konnte offensichtlich noch nicht abgebildet werden. Es waren nur einzelne Teilnehmer dazu in der Lage, aber die große Mehrheit konnte das noch nicht“, erklärt ein Teilnehmer des Konnektathons. Insbesondere hake es bei der Erstellung der Abrechnungsdatensätze: Das scheine maximal in Einzelfällen zu laufen, dann aber auch nicht über die dafür vorgesehenen Schnittstellen. „Die Abrechner haben sich beschwert, dass keine Abrechnungsdatensätze bei ihnen eingegangen sind. Da haben die Warenwirtschaften eingeräumt, dass sie das noch gar nicht können. Es wird von den Unternehmen immer erklärt, dass die Warenwirtschaftssysteme E-Rezepte abrufen und bearbeiten können, dabei aber geflissentlich verschwiegen, dass das ohne die Abrechnung nur die halbe Miete für die Apotheker ist.“

Auch in der Kombination, in der es funktioniert hat, sei noch nicht der vorgesehene Weg eingehalten worden. So habe König IDV zwar Rezepte eines Warenwirtschaftsanbieters abrechnen können, das aber über einen FTP-Server statt über die vorgesehene Webschnittstelle getan. Andere Warenwirtschaftsanbieter seien trotz Anmeldung gar nicht erst erschienen. „Einige sagen, dass sie das Frontend noch gar nicht bereit haben. Das müsste also alles noch zusammengeführt und dann in echt getestet werden. Wenn das alles noch fehlt, ist da noch sehr viel zu tun“, berichtet der Teilnehmer aus einem der beteiligten Softwarehäuser. „Wenn wir noch sechs oder acht Monate Zeit hätten, wäre ich entspannt. Aber bei weniger als zwei Monaten finde ich das beängstigend, weil sich zeigt, dass das ganze System längst noch nicht ausgereift ist.“

Solche Schwierigkeiten würden bei den Konnektathons zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter kommentiert. „Da gibt es keine politischen Diskussionen. Das sind Techniker, die da zusammenarbeiten und ihr Bestes geben. Da helfen sich Firmen gegenseitig, die sonst Konkurrenten sind. Von daher ist es positiv“, berichtet er. „Des Ernstes der Lage ist sich aber jeder bewusst. Das wird eine ganz harte Nummer, das bis Januar zum Laufen zu bringen und es wird bis dahin nicht jeder in der Lage sein. Allerdings stellt sich auch niemand hin und sagt, er kann das nicht. Diese Blöße wiederum wird sich vor seinen Mitbewerbern keiner geben. Ich würde jedenfalls nicht darauf wetten, dass im Januar jede Warenwirtschaft E-Rezepte problemlos zur Abrechnung bringen kann.“

Der Blick auf den Januar bereite ihm deshalb große Sorgen. „Eigentlich müsste man die Einführung jetzt stoppen. Ich befürchte, dass wir mit offenem Auge einer Katastrophe entgegentaumeln. Aber es ist gerade in Berlin gar niemand da, der das regeln könnte. Keiner kann den Schalter umlegen.“ Trotz aller Verzögerungen und technischen Probleme an der E-Rezept-Einführung festzuhalten, sei offensichtlich eine politische Entscheidung. Die Warnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vor einem Chaos in der Versorgung, weil die Technik für eine Massenanwendung wie das E-Rezept noch nicht einsatzbereit sei, wären deshalb berechtigt. „Im Grunde müsste man jetzt öffentlichen Druck aufbauen, damit jemand endlich die Reißleine zieht. Der Nachfolger von Jens Spahn müsste das machen, aber wann der kommt und ob er das gleich als erste Amtshandlung tun würde, ist eine berechtigte Frage. Wenn wir im Dezember eine neue Bundesregierung kriegen, wird es jedenfalls extrem knapp.“

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