Konfrontation mit dem BMG

E-Rezept: KBV zieht den Stecker

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Berlin -

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) macht ernst und sagt die verpflichtende Einführung des E-Rezepts quasi eigenmächtig ab: „Sofern die Apotheken in räumlicher Nähe zur Praxis nicht in der Lage oder nicht dazu bereit sind E-Rezepte zu empfangen und einzulösen, kann die Vertragsarztpraxis dem Versicherten ein Papierrezept auf Muster 16 ausstellen“, lautet die Empfehlung der KBV an die Ärzt:innen. Diese Vorgabe widerspricht einer Aussage aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und ist auch laut KBV explizit nicht mit dem BMG abgestimmt.

Die KBV hatte schon vorab mit einer bis Ende Juni 2022 befristeten Richtlinie eine Übergangslösung vorgeschlagen, um die flächendeckenden Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und des E-Rezept sicherzustellen. „Dies ist dringend erforderlich, weil die neuen Prozesse zu Beginn des neuen Jahres noch nicht flächendeckend etabliert sind und nicht fehlerfrei funktionieren werden“, so die KBV.

Doch das BMG hatte die Ärzte gewarnt: Dr. Gottfried Ludewig, Leiter der der Abteilung Digitalisierung und Innovation, hatte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen in einem Brief ermahnt, dass die Ärzt:innen eben kein Wahlrecht haben, und auf den Bundesmantelvertrag verwiesen. Nur wenn die technischen Voraussetzungen in der Praxis nicht gegeben sind, müssen E-Rezept oder eAU-Bescheinigung nicht genutzt werden. Ludewig gehe davon aus, dass die Ärzt:innen sich an diese Regeln halten, man behalte sich „die Prüfung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen ausdrücklich“ vor, so die unmissverständliche Warnung.

Die Schwierigkeiten bei der eAU liegen laut KBV darin, dass viele Praxen das vorgesehene Stylesheet nicht erzeugen und damit auch nicht an die Krankenkasse übermitteln können. Auf diesen Aspekt habe man das Ministerium nochmals und um Bestätigung gebeten, dass auch im neuen Jahr das alte Muster 1 benutzt werden darf. Geantwortet hat das BMG laut Dr. Christoph Weinrich, Leiter Stabsbereich Recht bei der KBV, bislang noch nicht.

Beim E-Rezept sieht die KBV etwa hinsichtlich der Signaturprüfung „erhebliche Bedenken angesichts des noch laufenden Feldtests der Gematik und nicht hinreichend erprobter Anwendungen, ob eine fehlerfreie Ausstellung, Übermittlung, Annahme und Abrechnung von elektronischen Rezepten ab dem 1. Januar 2022 möglich sein wird“. Auch hier müsse eine breite Anwendung des Ersatzverfahrens mit Muster 16 möglich sein, um die Versorgung mit Arzneimitteln aufrecht zu erhalten.

Allerdings hat sich der GKV-Spitzenverband laut KBV nicht auf eine entsprechende Vereinbarung im Bundemantelvertrag eingelassen. Dieser weiterhin bestehende Konflikt dürfe aus Sicht der KBV „unter keinen Umständen zu einer Gefährdung der Versorgung ab Jahresbeginn führen“. Deshalb gibt sie nun unabgestimmt Empfehlungen an die Praxen.

Die eAU soll ausgestellt werden, wenn dies technisch möglich ist, ansonsten sei das Ersatzverfahren anzuwenden. „Der Versicherte enthält eine mittels Stylesheet erzeugte papiergebundene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Ausfertigungen Versicherter, Krankenkasse und Arbeitgeber). Ein digitaler Nachversand ist nicht erforderlich.“ Wenn beides nicht geht, soll die Praxis dem Versicherten formlos eine papiergebundene AU-Bescheinigung ausstellen. „Hierfür kann auch das bisherige Muster 1 der Vordruckvereinbarung verwendet werden.“

Ebenso bei Verordnungen: Wenn die Software ein zertifiziertes Update für das E-Rezept aufgespielt hat, einigen VOS/PVS-Herstellern böten auch die Möglichkeit, an der Erprobung der Gematik teilzunehmen. Aber wenn die Apotheke um die Ecke eben keine E-Rezepte beliefern kannn oder will, soll die Praxis laut KBV unabhängig von der eingenen Bereitschaft weiter auf rosa Rezepten verordnen.

Die KBV schafft damit Fakten und setzt die Politik unter Druck: „Diese Empfehlung ist mit dem GKV-Spitzenverband und dem BMG nicht abgestimmt. Wir gehen aber davon aus, dass auch für das BMG und den GKV-Spitzenverband die Aufrechterhaltung der Versorgung der Versicherten im Mittelpunkt steht und nicht gewünscht ist, dass eine erhebliche Anzahl von Arztpraxen ihren Patienten ab dem 1. Januar 2022 keine AU-Bescheinigungen oder Rezepte mehr ausstellen können und es mitten in der Pandemie zu einer erheblichen Störung der Praxisabläufe kommt.“

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