„Gefährlich, teuer, zeitaufwändig, bürokratisch“

E-Rezept: IG Med für Rückkehr zu Muster-16

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Berlin -

Auch drei Wochen nach der großflächigen Umstellung sorgt das E-Rezept in Apotheken und Praxen für einen nicht zu verachtenden Mehraufwand. Laut aposcope-Umfrage dauert eine E-Rezept-Belieferung im Schnitt fünf Minuten länger im Vergleich zum Papierrezept. Auch deshalb plädiert die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Medizin (IG Med), Dr. Ilka M. Enger, für eine Rückkehr zu Muster-16 – zumindest so lange, bis das E-Rezept zuverlässig beliefert werden kann.

„Bei uns treffen sich in der Tat alle aus der Medizin: Ärzte, Apotheker, Zahnärzte und Physiotherapeuten“, erklärt Enger. Bereits im Dezember habe die Interessengemeinschaft auf die Diskrepanzen mit dem E-Rezept aufmerksam gemacht. „Es liegt einiges im Argen.“

Im Zweifelsfall lebensgefährlich

Was mich wirklich schockiert hat, war, dass es über einen QR-Code möglich ist, verschiedene Rezepte von verschiedenen Patienten aufzurufen.“ Dies möge noch auflösbar sein, wenn ein solcher Fehler in Vor-Ort-Apotheke auftritt. Hier kennt die Apotheke im Zweifelsfall die betroffenen Patient:innen und kann vermitteln. Datenschutzrechtlich bliebe es dennoch eine Katastrophe. „Im Versandhandel liegt das Risiko, dass ein solcher Fall schiefgeht, um einiges höher“, weiß Enger. „Da kann ein Patient falsche Präparate geliefert bekommen, die er dann möglicherweise falsch einnimmt.“ Ein Fehler, der im Zweifelsfall lebensgefährlich sein könne, erklärt die Ärztin.

Apotheken besonders betroffen

Daraufhin habe die IG Med die KVen und Apothekerkammern in Kenntnis gesetzt, „Die Reaktionen im Dezember sind äußerst unterschiedlich ausgefallen“, berichtet Enger. „Das Spektrum reichte vom Ausbleiben einer Reaktion bis hin zur Aussage, der Fehler sei mittlerweile behoben.“ Der letzte der IG Med bekannte Fall stamme allerdings aus dem aktuellen Monat Januar.

Die Ärztin betont, dass es nicht nur um diesen einen Fehler gehe. „Es gibt unzählige weitere Probleme, die uns in den Praxen ärgern, die einen Mehraufwand für die Patienten bedeuten und die nicht zuletzt auch die Apotheken erreichen.“ In diesem Konstrukt sei eine Instanz besonders geplagt. „Meiner Meinung nach sind Apotheken insbesondere von der Fehlerhaftigkeit des E-Rezepts betroffen“, erklärt Enger. „Da geht es zum Beispiel um Retaxierungen. Was, wenn ein Hochpreiser betroffen ist? Das kann eine Apotheke finanziell kaputtmachen.“

Zurück zu Muster-16

Aus diesen und weiteren Gründen plädiert die IG Med für eine Rückkehr zur Muster 16-Verordnung. „Solange Fehler in dieser Menge vorliegen, sollte man ernsthaft in Erwägung ziehen, das E-Rezept auszusetzen“, meint Enger. „Oder man sagt zumindest, dass eine Papierrezeptausstellung ohne Sanktionen für Arzt und Apotheke erfolgen kann.“

Nach wie vor ist die Ausstellung des E-Rezepts nicht verpflichtend. So steht es zwar im Digitalgesetz (DigiG) – aber so lange dies nicht in Kraft getreten ist, sind Sanktionen nicht zu befürchten.

Fehler, die aus einem ungenügenden System hervorgehen, dürften nicht mit einer Retaxierung bestraft werden. „Apothekenteams überlegen, bei Hochpreisern nur noch rosa Rezepte anzunehmen. Schlicht, weil sie besser eingreifen können.“ Enger selbst stellt in ihrer Praxis nur Muster-16 Rezepte aus, „Gezielt hat von meinen Patienten noch niemand nach dem E-Rezept gefragt.“ Ihrer Meinung nach müsse das E-Rezept für alle Beteiligten freiwillig bleiben. So das E-Rezept funktioniere, würde es sicherlich – auch auf freiwilliger Basis – Anklang finden. „Dafür muss es aber erstmal weitestgehend reibungslos funktionieren“, findet Enger.

Wichtige Kontrollinstanzen fehlen

„Letztlich ist das Produkt völlig unausgereift“, findet Enger. Man dürfte von den Arztpraxen, Apotheken und nicht zuletzt den Patient:innen nicht verlangen, dass sie als Beta-Tester fungieren. „So, wie Herr Lauterbach es sagte, das E-Rezept brauche ein paar Wochen, bis es sich ‚zurecht geruckelt hat‘, so einfach ist das leider nicht. Das kann man so nicht lassen. Das E-Rezept ist gefährlich, teuer, zeitaufwändig, bürokratisch.“

Es gehe nicht nur darum, was man Arzt und Apotheke, sondern auch den Patient:innen zumute. Genügend Personen besitzen kein Smartphone, um überhaupt einen Überblick über ihre Verordnungen behalten zu können. „Wir hatten mit Muster-16 ein Acht-Augen-Prinzip“, erläutert Enger. „Die MFA hat das Rezept ausgedruckt, der Arzt hat drübergeschaut und unterschrieben, das sind schon die ersten vier Augen“, erklärt sie. „Der Patient hat nachgeschaut, ob die Praxis seine Präparate richtig verordnet hat und in der Apotheke schaute das letzte Augenpaar auf die Verordnung. Über den elektronischen Weg ist das alles weg.“ Das E-Rezept – in seiner aktuellen Form – habe sein Ziel verfehlt. Laut Enger ist es „überbürokratisch und schlecht umgesetzt.“

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