Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat ein Einsehen und verschiebt die Einführung des E-Rezepts – und die Branche atmet auf. Der Verband der Apothekensoftwarehäuser (ADAS) verweist gegenüber APOTHEKE ADHOC auf die teilweise massiven Probleme und strukturellen Schwachstellen, die bei den bisherigen Tests aufgetreten sind.
ADAS-Chef Gerhard Haas ist zufrieden mit der Entscheidung des neuen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), die Testphase fürs E-Rezept zu verlängern. „Eine kontrollierte Testphase, klare Verantwortlichkeiten, mehr Transparenz und ein funktionierendes Reporting – alles, was ich jetzt aus dem BMG dazu gehört und gelesen habe, klingt vernünftig“, sagt Haas. Und er lobt, dass sich die politischen Verantwortlichen nicht schon wieder auf einen Stichtag festlegen und damit unnötig unter Druck setzen: „Keinen neuen Termin für den Start zu setzen, das halte ich für einen vernünftigen Plan.“ Das Wort „vernünftig“ ist die vorherrschende Vokabel, wenn man mit Beteiligten über die E-Rezept-Verschiebung spricht.
So haben die Softwarehäuser immer wieder darauf hingewiesen, dass es kein etabliertes Ersatzverfahren gibt, wenn das System in der Apotheke ausfällt. So einen Prozess zu definieren, wäre aus Sicht des ADAS auch Aufgabe der Gematik gewesen – mit Unterstützung des Deutschen Apothekerverbands (DAV) als Gesellschafter. Doch technische Probleme in der Praxis sah die BMG-Behörde offenbar nicht in ihrer Verantwortung und meldete bis zuletzt die Bereitschaft zum Start. Bis die Ärzte rebellierten und Lauterbach die Notbremse zog.
Und kleinere, aber auch größere Schwierigkeiten sind schon in den wenigen bisher erfolgten Testläufen zutage getreten. Aktuelles Beispiel: Das sehr viel genutzte Kartenterminal von Ingenico hat offenbar ein Problem, wenn ein HBA neben die SMC-B gesteckt wird. Das ist bei Tests eher zufällig aufgefallen, als mit der Karte des Betriebsstättenleiters eine Rezeptänderung durchgeführt werden sollte, die mit dem HBA signiert werden muss. Dabei kam es aber immer mal wieder vor, dass die daneben steckende SMC-B die VPN-Verbindung zur Gematik verlor. Wenn so etwas im Live-Betrieb passiert, würden alle E-Rezept-Prozesse an allen Kassenplätzen abgebrochen. Das Team in der Offizin müsste dann warten, bis die Verbindung wieder steht – vergleichbar mit dem Neustart eines WLAN-Routers.
Das Problem lässt sich beheben – Ingenico arbeitet schon an einem Update – und auch umgehen, wenn die Karte in ein anderes Terminal gesteckt wird. Aber der Fall zeigt laut Haas exemplarisch den Sinn von ausgedehnten Pilotierungsphasen, „nicht mit 45 Rezepten, sondern mit ein paar tausend“. Solche Ausfälle dürfe es im Livebetrieb nicht geben.
Dass sich die Branche jetzt auf der Verschiebung ausruht, erwartet Haas keinesfalls. „Es darf ruhig Druck bei uns ankommen“, so der ADAS-Chef. Und die neue BMG-Führung setze ja offensichtlich auch auf ein enges Monitoring. Eine allmähliche und kontrollierte Ausweitung der Testregionen halten jedenfalls die Apothekensoftwarehäuser für die deutlich sicherer Methode als eine übers Knie gebrochene bundesweite Einführung zu einem irgendwann einmal festgelegten Stichtag.
Die Ideallösung für die Apotheken könnte bedeuten, dass die E-Rezepte gleich auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert werden. Denn das wäre nicht nur ein sicherer Vorgang, er könnte vor allem die Apotheke vor Ort gegenüber den Versandhändlern stärken. Die müssten sich dann auf das digitalaffine Publikum konzentrieren und versuchen, über die Gematik-App an Verordnungen zu kommen.
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