„Strukturierte Startphase“

E-Rezept: Die Testphase im Detail

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Berlin -

Der Rollout des E-Rezepts soll – wie gestern von den Gematik-Gesellschaftern beschlossen – in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe starten. Laut den beiden beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) soll im Sommer eine „strukturierte Startphase“ mit ausgesuchten Praxen beginnen.

Über den einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft hatte APOTHEKE ADHOC gestern exklusiv berichtet: Statt Bayern soll der Kammerbezirk Westfalen-Lippe neben Schleswig-Holstein im September den offiziellen Start machen. In Schleswig-Holstein werden nach KV-Angaben bereits täglich 300 bis 500 E-Rezepte ausgestellt und eingelöst. Und für die Kassenärzte besonders wichtig: Die Umstellung ist für die Praxen nicht verpflichtend.

Ab dem 1. September erfolgt laut KVen der Start „in Abhängigkeit von der tatsächlichen technischen und organisatorischen Verfügbarkeit im Rahmen eines sukzessiven schnellen Hochlaufs in den Praxen und Apotheken“. Ziel sei die Überführung in eine Routine, um eine schnellstmögliche Flächenabdeckung zu erreichen. Neben den KVen werde auch die Gematik diesen Prozess in den Startregionen eng begleiten.

Pflicht nach drei Monaten

Die nächsten Schritte der stufenweisen Einführung werden laut Gematik von den Gesellschaftern zeitnah festgelegt. „Stand heute ist angedacht, drei Monate später – nachdem die Gesellschafter den Erfolg der ersten Stufe beschlossen haben – in diesen beiden Regionen verpflichtend und in sechs weiteren Bundesländern sukzessive die Einführung umzusetzen. In 2023 folgen die ausstehenden acht Bundesländer und damit die bundesweite Nutzung des E-Rezepts.“

Bis zur verbindlichen Einführung des E-Rezeptes seien die medizinischen Einrichtungen in allen Regionen angehalten, von der Möglichkeit der E-Rezept-Ausstellung Gebrauch zu machen, so die Gematik weiter. Die Krankenkassen seien schon heute, die Apotheken spätestens ab September bundesweit dazu in der Lage, E-Rezepte einzulösen und abzurechnen.

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe (KVWL), betont die Notwendigkeit, „Prozesse und Strukturen belastbar zu evaluieren“. Denn die technischen Komponenten und die Prozesse in der Praxis müssten perfekt aufeinander abgestimmt sein und harmonieren. Die beiden beteiligten KVen sehen sich als Vorreiter im Bereich der Digitalisierung und wollen die Praxen in den Kammerbezirken bei der Umstellung unterstützen. „Deren Aufwand darf nämlich in keinem Fall erhöht werden – wir wollen Bürokratie und zeitaufwändige Hybridlösungen abbauen, nur so kommt der Nutzen des E-Rezepts auch bei allen Beteiligten an“, so Spelmeyer.

Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KV Schleswig-Holstein (KVSH) ergänzt: „Keine Praxis muss die Umsetzung fürchten, denn uns ist bewusst, dass es derzeit vielfach noch an zentralen Modulen fehlt und digitale Prozesse Strukturänderungen in Praxen bedingen, die vor der Routine Aufwand erfordern. Wir erwarten nun von Gematik und Softwarehäusern, dass sie sich in den Rollout-Phasen direkt mit den KVen abstimmen, für stabil laufende Technik sorgen und dafür auch Verantwortung übernehmen.“

Die KVen wollen einen besonderen Support für die Anwender der einzelnen PVS-Systeme gewährleisten und dabei den Kreis sukzessive größer ziehen, wenn das E-Rezept zu einer Routine geworden ist. „Dies schließt nicht aus, dass selbstverständlich jede Praxis ihren Startpunkt selbst bestimmt“, so Schliffke.

Von dem Einsatz der beiden KVen und der nun gegebenen Freiwilligkeit ließ sich letztlich auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) überzeugen, die als Gesellschafter der Gematik zugestimmt hat. Die zuvor bekanntgewordenen Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte die KBV noch massiv kritisiert, zumal hier eine verpflichtende Einführung in zwei Bundesländern vorgesehen war.

KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel spricht sich jetzt für die Startphase aus: „Das E-Rezept wird für Patienten papierlos und elektronisch ausgestellt und kann über digitale Lösungen in Apotheken vor Ort oder Versandapotheken eingelöst werden. Ein komplexer Prozess, denn neben den Ärzten sind auch Apotheker, Patienten und Krankenkassen beteiligt. Das Zusammenspiel muss gewährleistet sein, denn ein einfacher Ablauf ist für alle entscheidend: für Ärzte, Apotheken und Patienten. Es darf auf keinen Fall so sein, dass ein Arzt abhängig vom einzelnen Patienten immer wieder ein anderes Produkt für das Ausstellen einer digitalen Verordnung anwenden muss.“

Und Dr. Susanne Ozegowski, im BMG Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Innovation, meint: „Mit dem einstimmig gefassten Beschluss der Gesellschafterversammlung kann es mit dem flächendeckenden Rollout des E-Rezepts losgehen. Es ist aus Sicht des BMG sehr zu begrüßen, dass alle Beteiligten, insbesondere die Ärzteschaft und die Apotheker, den weiteren Prozess der Einführung des E-Rezepts ausdrücklich unterstützen und voranbringen wollen. Ich bin überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingen wird, das E-Rezept in Deutschland erfolgreich einzuführen. Und schon bald werden alle von dessen Nutzen profitieren. Denn letztlich kommt es darauf an, dass die Digitalisierung beim Nutzer einen Mehrwert erzeugt.“

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