Testphase vor Einführung

E-Rezept: Das sind die sechs Kriterien der Gematik

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Berlin -

Es geht langsam voran mit dem E-Rezept, die Gematik setzt mittlerweile auf mehr Transparenz und will offener über Fortschritte und Rückschritte informieren. Dennoch herrscht weiterhin spürbare Verunsicherung im Markt, Börsenkurse reagieren auf kleinste Meldungen zur Erprobung. Es herrscht offensichtlich noch Unsicherheit, was in den kommenden Monaten zu erwarten ist – und darüber, was genau die Gematik von der E-Rezept-Testphase erwartet. Dabei macht sie die Qualitätskriterien ebenfalls transparent.

Mit der verpflichtenden E-Rezept-Einführung zu Jahresbeginn hat es bekanntlich nicht geklappt. Nur 42 E-Rezepte waren in der eigentlichen Testphase von Juli bis Dezember 2021 verarbeitet worden – es musste also weiter getestet werden. „Die Testphase soll genutzt werden, um die Anzahl der Teilnehmenden an den Tests zu erhöhen, Updates aufzuspielen, die nötige Software zu installieren, das Personal zu schulen und die Stabilität des Zusammenwirkens der einzelnen erforderlichen Komponenten intensiv zu prüfen“, so ein Gematik-Sprecher auf Anfrage.

Wie lange das dauern wird, steht nicht fest. Allein diese Nachricht hat bereits mehrmals die Kurse von Versandapotheken gedrückt. Denn einen festen Zeitplan hat die Gematik – anders als im vergangenen Jahr – noch nicht vorgelegt. Im Gegenteil: Die mehrheitlich bundeseigene GmbH setzt nicht mehr auf Fristen, sondern auf Qualitätskriterien, die erst erfüllt sein sollen. Doch welche das genau sind, darüber sind sich viele Marktteilnehmer nicht ganz sicher. Dabei, so erklärt die Gematik, sind sie in sechs Punkten klar definiert. Diese müssen erfüllt sein, bevor das E-Rezept im Versorgungsalltag verpflichtend wird.

Es beginnt mit einer klaren Zahl: Mindestens 30.000 E-Rezepte sollen erfolgreich abgerechnet werden. Bis dahin ist es noch ein Stück, Stand Mittwoch waren es laut dem Gematik-Dashboard 2209. Vom bisherigen linearen Wachstum der E-Rezept-Zahl auf die zu erwartende Dauer hochzurechnen, wäre aber falsch: Bisher ist nämlich nur eine überschaubare Zahl an Anbietern von Praxisverwaltungssystemen (PVS) voll in der Lage, E-Rezepte auszustellen, als Meilenstein wird der flächendeckende Start der E-Rezept-Funktion in den PVS der Marktführer CGM und Medatixx gesehen, der bald erwartet wird. Steigt die Zahl der teilnehmenden Praxen schlagartig, dürfte das auch die Zahl der ausgestellten E-Rezepte tun. Wann das wie viele sein werden, lässt sich Ende Februar aber noch nicht seriös vorhersagen. Gematik und Bundesgesundheitsministerium tun also gut daran, anders als frühere auf feste Fristen zu verzichten.

Neben der Auslastung des Systems soll vor allem seine Stabilität auf den Prüfstand gestellt werden. Die Gematik hat deshalb als Qualitätskriterium definiert, dass die Verfügbarkeit des E-Rezept-Fachdienstes und des Identity Providers (IdP) zu 99,9 Prozent sichergestellt ist. Auch hier hat sie bereits Transparenz hergestellt: Noch vor den Kennzahlen von E-Rezept, aAU oder auch ePA hatte die Gematik ein Dashboard online gestellt, das in Echtzeit die Verfügbarkeit der einzelnen Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) anzeigt von Fachdienst, IdP und Apotheken-Verzeichnisdienst beim E-Rezept über den Kommunikationsdienst KIM bis zu den einzelnen Komponenten des Versichertenstammdatenmanagement (VSDM).

Die Qualitätskriterien drei bis sechs hingegen sind weniger eindeutig formuliert, sie erlauben weniger Verbindlichkeit als es die Zahlen 30.000 und 99,9 tun. Einer der Punkte scheint immerhin fast abgehakt: „Alle Kassen müssen ferner E-Rezepte entgegennehmen und abrechnen können und Fälle von Retaxierungen aufgrund von technischen Gründen sollen nahezu gegen Null gehen“, so die Gematik auf Anfrage. Vergangene Woche vermeldete der GKV-Spitzenbverband in dem Punkt Vollzug: Alle 97 gesetzlichen Krankenversicherungen sind demnach in der Lage, E-Rezepte abzurechnen. Allerdings: Es könne trotzdem weiterhin zu Komplikationen bei der Abrechnung kommen. Die Kassen würden jedoch eng mit den Apotheken und deren Abrechnungszentren zusammenarbeiten, um Retaxierungen wegen technischer Fehler zu vermeiden. Wann die „nahezu gegen Null“ gehen werden, lässt sich ebenso wenig zeitlich eingrenzen. Zumindest Noventi hat hier jedoch schon einen Pflock eingeschlagen und seinen Abrechnungskunden versprochen, dass es keine Retaxierung aufgrund technischer Fehler geben werde.

Doch auch davor kann es noch zu erheblichen Schwierigkeiten bei Ausstellung, Versand und Bedienung von E-Rezepten kommen, die in der Testphase ausgemerzt werden sollen. „Schwere Fehler sollen nicht auftreten“, lautet deshalb das vierte Qualitätskriterium – ohne dass die Gematik genauer definiert, was als schwerer Fehler gilt und was nicht. Ebenso im Ungefähren bleibt sie bei den letzten beiden Qualitätskriterien: Ein „hoher Anteil“ der Softwareanbieter-Anbieter in Arzt- und Zahnarztpraxen bereits erfolgreich E-Rezepte erstellt haben ist eines der Kriterien, ein „hoher Anteil“ der AVS-Anbieter das andere. Für Letztere gilt dabei nicht nur die Einlösung der E-Rezepte, sondern auch die Erstellung der Quittung. Was genau ein „hoher Anteil“ ist, definiert die Gematik nicht.

Im Umkehrschluss lässt sich aber folgern: Bei der E-Rezept-Einführung dürfte nicht auf den Letzten gewartet werden, sie müsste demnach auch erfolgen, wenn noch nicht ausnahmslos alle PVS- und Warenwirtschaftsanbieter in der Lage sind, auszustellen, einzulösen und abzurechnen. Für die Kunden dieser Anbieter könnte dann der Ausfalltatbestand gelten, der für die eigentlich geplante Einführung zum 1. Januar angedacht war: Ist ihr PVS oder ihre WaWi noch nicht in der Lage, wird das einem Technikausfall gleichgesetzt. Sie können dann weiter mit Muster-16 arbeiten, bis die E-Rezept-Verarbeitung läuft. Auch hier gilt: Wann wie viele Anbieter bereit sind, lässt sich von außen nicht verlässlich prognostizieren.

Die bisherigen Zahlen zu den Teilnehmern der aktuellen Testphase sind jedenfalls noch bescheiden, aber immerhin gibt die Gematik sie bekannt: Demnach liegt die Zahl der namentlich benannten Praxen, die E-Rezepte ausstellen, derzeit bei 150 – also rund 0,1 Prozent der Arztpraxen in Deutschland. Und die Apotheken? „Eine Aussage zu den beteiligten Apotheken lässt sich nicht festhalten, da natürlich schon viele Apotheken E-Rezept-ready sind“, erklärt die Gematik auf Anfrage. „Die PVS- und AVS-Hersteller schauen und prüfen, dass die E-Rezept-fähigen Apotheken im Umkreis der beteiligten Praxen liegen.“

Die bisherigen Teilnehmer konzentrieren sich dabei auf mehrere sogenannte Cluster, also lokale Netze von Leistungserbringereinrichtungen, in denen E-Rezepte ausgestellt und verarbeitet werden und die relativ gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt sind. Neben der Fokusregion Berlin/ Brandenburg ist das derzeit größte Cluster in Schleswig-Holstein, weitere befindet sich in der Region Heilbronn/Stuttgart und ein kleineres in Leipzig. Siet diesem Monat ist außerdem ein Cluster in Dortmund aktiv. In Thüringen ist ein weiteres Cluster nach Gematik-Angaben derzeit in Vorbereitung. Allerdings können sich Apotheken und Arztpraxen auch unabhängig von diesen Clustern einbringen – das fordert die Gematik sogar. „Wir rufen die Software-Hersteller auf, sich an den bundesweit stattfindenden Piloten aktiv mit Ihren Referenz-Praxen/ -Apotheken und Krankenhäusern zu beteiligen“, so ein Sprecher. Apotheken und Ärzte können demnach bei Interesse am E-Rezept ihre PVS- beziehungsweise WaWi-Hersteller fragen, eine Anmeldung der Ärzte oder Apotheker bei der Gematik sei dabei nicht erforderlich. „Somit können also alle Ärzte und Apotheker E-Rezepte erstellen oder beliefern und abrechnen, wenn sie die technischen Voraussetzungen erfüllen.“

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