Beim E-Rezept läuft noch längst nicht alles rund. Seit der Möglichkeit der Einlösung per elektronischer Gesundheitskarte (eGK) laufen in den Apotheken immer mehr digitale Verordnungen auf – und bringen die Tücken der Abrechnung ans Tageslicht. Dazu gehört auch die Übermittlung der Charge, die ausnahmslos verpflichtend ist. Apotheker Lukas Pfeiffer warnt die Kolleg:innen vor möglichen Retaxationen.
Dass die Angabe der Charge in den Abgabeinformationen beim E-Rezept enthalten sein muss, ist in Anlage 1 zur Abrechnungsvereinbarung nach § 300 Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt. Das haben Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband nach einem Schiedsspruch festgelegt. Gemäß § 2 Absatz 2 Anlage 1 der Abrechnungsvereinbarung gehört zum Abrechnungsdatensatz auch die Chargenbezeichnung des authentifizierungspflichtigen Arzneimittels – vorausgesetzt der Data-Matrix-Code ist auf der Umverpackung zu finden.
Der Sinn dahinter: die Nachverfolgbarkeit und Durchsetzung von Regressansprüchen der Krankenkassen gegenüber der Pharmaindustrie, wie die Gematik informiert.
In der Abrechnungsvereinbarung wurden keine Ausnahmen definiert – auch nicht für das Blistern oder die Heimbelieferung. „DAV und GKV wurden darauf hingewiesen und befassen sich mit dem Thema“, so die Gematik. Die Verhandlungen laufen noch, bis dahin ist Geduld gefragt – und die Hoffnung auf eine Friedenspflicht bleibt. Denn wie der GKV-Spitzenverband mitteilt, gab es zum Thema „noch keine abschließende Verhandlung mit dem DAV“. Somit bleibt die Frage unbeantwortet, ob eine Nullretax droht, oder ob die fehlende Charge im Falle einer Retax nachgereicht werden kann.
Wie immer liegt das Risiko bei den Apotheken. „Es gilt die 100-Prozent-Regelung, wenn die Charge fehlt, kommt die Nullretax“, warnt Pfeiffer. „Am Protesttag haben wir uns von der Nullretax freigestrampelt und jetzt gibt es eine neue Stolperfalle“, so der Inhaber. Seit Juli laufen bei Pfeiffer mehr E-Rezepte auf und selbst da fehlen schon Chargen. Jetzt will der Aptheker die Kolleg:innen warnen, nicht in die drohende Retaxfalle zu tappen. Dass die Charge fehlt, werde bei der Rezeptkontrolle nicht angezeigt.
Zwar kann die Charge nachgetragen werden, aber dafür müssen die Packung noch im Haus oder Charge, Seriennummer und Verfall entsprechend dokumentiert sein. Hat die Packung die Apotheke verlassen und fehlen die Daten, kann das E-Rezept nicht mehr geheilt werden – und die Apotheke nur hoffen, dass die Verordnung bei der Abrechnung durchrutscht.
Dass die Charge nicht durch Scannen der Packung im Abgabedatensatz vermerkt ist, kann verschiedene Gründe haben, weiß Pfeiffer. Beispielsweise, wenn Securpharm ausfällt, der Code nicht gelesen werden kann oder schlichtweg das Abscannen der Packung bei der Abgabe vergessen wurde. Eine Stolperfalle kann auch eine Vorablieferung sein, die das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) gestattet. Bestellt die Praxis ein Arzneimittel und wird das Rezept nachgereicht, wird eine Vorablieferung angelegt. Der Vorgang kann beim E-Rezept im Anschluss nur gelöscht und als neues E-Rezept angelegt werden. Dazu müsse aber der Code gesichert werden, beispielsweise per Foto.
„Das Risiko wird zulasten der Apotheke ausgelegt, ohne dass wir dafür einen finanziellen Ausgleich bekommen.“ Schließlich übernehme die Apotheke eine Aufgabe für die Kassen. Da stellt sich die Frage, ob die im Falle eines Rückrufes die Versicherten informieren. Der GKV-Spitzenverband schweigt.
Pharmatechnik-Kund:innen wird im Ixos-Rezeptmanagement bei der Rezeptkontrolle die fehlende Charge angezeigt und eine Korrektur ist möglich, und zwar bis zum Ende des Abrechnungsmonats. Das Nachtragen der Charge ist in der „Chargenkorrektur für Rezeptabrechnung“ möglich. Allerdings hat die Apotheke auch die Möglichkeit, die Warnmeldung zu ignorieren und das Rezept auch ohne Nachtrag der fehlenden Charge in die Abrechnung zu geben. Sollte Securpharm nicht erreichbar sein, kann die Charge händisch nachgetragen werden. Und auch bei der Abgabe von Teilmengen wird jede einzelne Teilmenge im E-Rezept-Datensatz vermerkt, teilt Pharmatechnik mit. „Ob eine fehlende Charge zu einer Nullretax in der Rezeptabrechnung führt, kann schließlich nur die jeweilige Krankenkasse entscheiden.“
ADG fordert eine zweckmäßige Lösung, die zu keiner Retax führt. „In den Systemen der ADG werden die Chargenbezeichnungen wie gefordert mit dem Abrechnungsdatensatz eines E-Rezepts übermittelt“, teil eine Sprecherin mit. Fehlt die Chargenbezeichnung, wird der/die Anwender:in bei der Übermittlung der Abrechnungsdaten an das Rechenzentrum darauf aufmerksam gemacht und kann die fehlende Chargenbezeichnung nachtragen. Diese Situation könne insbesondere bei Nachlieferungen eintreten, wenn bei der Bearbeitung des Wareneingangs und der damit verbundenen Erfassung der Charge nicht der vorgeschriebene Weg der Bearbeitung eingehalten werde. „Das Nachtragen einer Charge für eine Nachlieferung ist aber in jedem Fall mit einem nicht unerheblichen Zusatzaufwand für die Apotheke verbunden.“
Ob bereits eine fehlende Chargenbezeichnung zu einer Retaxierung führen kann, sei immer noch durch die Verbände der Apotheken zu klären, so die Sprecherin. „Es stellt sich aber die Frage, ob der aktuell entstehende Mehraufwand für die Apotheken gerechtfertigt ist, da sich der ursprüngliche Anspruch auf Lieferung der Chargeninformationen aus der Mitwirkungspflicht der Apotheken bei der Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Krankenkassen nach § 131a Abs. 1 SGB V i. V. m. § 129 Abs. 4b SGB V ergibt und faktisch noch gar nicht in Anspruch genommen wurde.“
Für die Apotheke wäre es daher langfristig wünschenswert, wenn dazu für alle Beteiligten eine zweckmäßige und verhältnismäßige Umsetzung gefunden würde, die aber in jedem Fall nicht zu einer Retaxation führen kann.
Auch Noventi prüft die Angabe der Charge. Das Prüfergebnis wird in AVS angezeigt. Und auch für Nachlieferungen – beispielsweise, wenn ein Artikel patientenindividuell bestellt und erst später abgeholt oder geliefert wird – „ist es selbstverständlich möglich, in dem vorhandenen Vorgang, die Charge per Securpharm-Scan zu ergänzen“, teilt ein Sprecher mit.
Fehlt die Charge im Abrechnungsdatensatz, kann der Vorgang jederzeit durch Wiederaufnahme bearbeitet und die Charge durch Securpharm-Scan nachgetragen werden, sofern die Packung in der Apotheke vorliegt und das Rezept noch nicht abgerechnet ist. „Für Botendienstlösungen gibt es komfortable Möglichkeiten, Rezeptbearbeitung und Scan für die Charge auseinanderzuziehen“, teilt der Sprecher mit. Ist Securpharm nicht erreichbar, gibt es auch eine Lösung. „Das Auslesen der Charge erfolgt zwar während der Securpharm-Ausbuchung, ist aber von dieser und der weiteren Verarbeitung durch Securpharm unabhängig.“ In puncto Teilmengen gibt es jedoch noch Klärungsbedarf darüber, wie die Charge im Datensatz vermerkt wird. „Das ist aktuell zwischen den Vertragspartnern, dem DAV und dem GKV-Spitzenverband in Klärung.“
„E-Rezepte enthalten nur verschreibungspflichtige Medikamente. Diese sind nahezu alle verifizierungspflichtig und müssen daher mit securPharm überprüft werden. Damit tragen sie zwangsläufig u.a. eine Chargen-Bezeichnung“, teilt ein Sprecher mit. Die Software von CGM Lauer weise auf einen fehlenden Scan und damit Abgleich mit securPharm hin und auch für Sonderfälle und Nachlieferungen ist eine nachträgliche Übermittlung/ Zuordnung der Chargen-Bezeichnung gewährleistet. „Der begonnene Vorgang wird in der Software zurückgestellt, kann jederzeit wieder aufgerufen und ergänzt werden. Erst danach wird das Rezept zur Abrechnung geschickt. Eine solche Zwischenspeicherung ist auch für den äußerst seltenen Fall einer Störung von securPharm vorgesehen; die Kundinnen und Kunden können währenddessen weiterhin mit Medikamenten versorgt werden.“
Ob Apotheken für den theoretischen Fall einer fehlenden Chargen-Bezeichnung eine Nullretax drohe, könne nicht beantwortet werden. „Dazu liegen uns keinerlei Informationen vor.“
Eine Stellungnahme vom DAV steht noch aus.
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