Die niedrigere Retaxgefahr ist ein Vorteil, der vielen Apothekenangestellten beim Gedanken an das E-Rezept in den Sinn kommt: Formfehler sollen mit den digitalen Verordnungen angeblich zurückgehen, weil der Referenzvalidator sie spätestens ab Herbst von vorherein ausschließt. Bei Susan Plietker zeigte die E-Rezept-Premiere in ihrer Apotheke das Gegenteil. Fast alles ging schief: Patienten- und Arztnamen waren falsch hinterlegt, Dosierungsangabe und Betriebsstättennummer fehlten und darüber hinaus wurde ein Antibiotikum verordnet, das seit Jahren außer Handel ist. Gleichzeitig setzte der Arzt das Aut-idem-Kreuz.
Um 18 Uhr ging vor einer Woche in der Hollerland-Apotheke in Bremen zum ersten Mal ein E-Rezept ein. Tatsächlich kam ein Kunde mit einem Ausdruck des QR-Codes, den er von seinem Zahnarzt erhalten hatte. „Die Aufregung war groß“, sagt Plietker. Die Inhaberin nutzt die Software von Pharmatechnik und beschreibt sich selbst als „offen“ gegenüber den digitalen Verordnungen. Alle Mitarbeiter:innen hätten einen „E-Rezept-Führerschein“. An diesem späten Nachmittag kümmerte sich die Filialleitung um den Kunden.
Als der QR-Code eingelesen wurde, stieg die Aufregung weiter. Denn plötzlich fehlte im Programm der Nachname des Patienten, während er auf dem Scan richtig ausgedruckt gewesen sei. Daher habe es keine Übereinstimmung mit der Versichertennummer gegeben. „Wieso geht beim Arzt jetzt kein Fenster auf“, fragt die Apothekerin. Auch beim Namen des Arztes sei der Vorname doppelt und eben einmal als Nachname angegeben gewesen. Als Hinweis ihres Softwarehauses sei gekommen, dass Retaxgefahr wegen der Unstimmigkeiten zwischen Stempel, Signatur und Name drohe und ein neues E-Rezept empfohlen werde. Warum in diesem Fall nicht bereits bei der Arztsoftware Alarm geschlagen werde, sei unverständlich.
Auch eine Betriebsnummer sei nicht angegeben gewesen. Zudem sei ein Amoxicillin-Präparat aufgeschrieben gewesen, das es nicht mehr im Handel gebe. Und als wäre das alles noch nicht genug, habe der Arzt auch noch das Aut-idem-Kreuz gesetzt. „Laut Rücksprache mit dem Arzt war dieses Kreuz vorgegeben und ließ sich auch von ihm nicht entfernen.“ Außerdem sei keine Dosierung vorhanden gewesen. „Warum ist diese Angabe kein Pflichtfeld, wenn es doch bei einem Fehlen ein Retaxgrund ist“, so Plietker.
Die Apotheke forderte beim Arzt ein neues Rezept an, diesmal auf Papier, um den Kunden ordnungsgemäß versorgen zu können. Zudem schrieb die Chefin die Kritikpunkte an die Gematik. „Dieses Rezept war mit formalen Fehlern übersät“, heißt es in dem Schreiben. Sie gehe davon aus, dass die Fehler nicht von der Apotheke verursacht worden seien. Bei Einführung des E-Rezepts könne die Apotheke aber nicht bei allen Ärzt:innen anrufen und deren PC-Probleme lösen. „Wenn ich mir vorstelle, dass nur jedes zehnte E-Rezept so chaotisch ist, dann können wir das nicht stemmen.“
Ihre anfängliche positive Einstellung habe sich mit der Premiere gewandelt. „Wir haben null Vorteile mit dem E-Rezept. Wir tragen die Kosten, die Retaxgefahr ist genauso da und wir verlieren Kunden an das Internet. So sieht unsere Zukunft aus. Die Apotheken sollen abgeschafft werden.“
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