Bei der Einführung des E-Rezepts sieht sich ein Apotheker aus Niedersachsen als Vorreiter. Er hat aktiv dafür geworben und hatte zuletzt täglich etwa 15 E-Rezepte. Doch seit vorgestern ist er von der Telematikinfrastruktur (TI) abgeschnitten. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung zwischen seinem TI-Anschluss-Anbieter Red Medical und seinem Softwarehaus ADG. Nach Angaben von Red Medical stehen etwa 40 Apotheken bundesweit vor demselben Problem.
Red Medical installiert keine Konnektoren in Apotheken, sondern verwaltet sie zentral in einem Rechenzentrum. Der Anbieter auf ist auf einen Anschluss an das Warenwirtschaftssystem der Apotheke angewiesen. Doch einige Softwarehäuser wehren sich dagegen, Pharmatechnik hat dies sogar gerichtlich durchgesetzt.
Auch ADG vertritt den Standpunkt, keine Drittanbieter zuzulassen. Allerdings war es über die Software bis Ende vergangener Woche trotzdem möglich, E-Rezepte einzulösen, auch wenn der TI-Anschluss über Red Medical erfolgte. „Doch vorgestern ist ein Update rausgekommen, das diese Funktion schlicht abgeschaltet hat“, beklagt Red Medical-Geschäftsführer Jochen Brüggemann.
Die Apotheken bekommen seitdem eine Fehlermeldung angezeigt: „Die für die Nutzung der TI App notwendige Lizenz fehlt. Bitte wenden Sie sich an Ihren zuständigen ADG Systemberater.“ In der Hotline wurde dem Apotheker aus Niedersachsen mitgeteilt, er müsse einen Konnektor von ADG verwenden, wenn er auf die TI zugreifen wolle.
ADG bestreitet, Red Medical aktiv ausgesperrt zu haben. Die Nutzung eines Anschlusses des Drittanbieters sei noch nie vorgesehen gewesen, das habe man den Apotheken auch stets so kommuniziert. Wenn überhaupt hätten Kunden eigenhändig „gefummelt“, um den Fremdkonnektor anzuschließen. Dann könne es natürlich passieren, dass die Konfiguration, die regelmäßig in die Software eingespielt werde, diesen Weg abschneide.
Brüggemann von Red Medical glaubt dagegen an einen bewussten Ausschluss. Denn das Einlesen von Chipkarten funktioniere nach wie vor, die Verbindung zum Konnektor bestehe also. Und das „Gefummel“ ist aus seiner Sicht keine große Sache: In der Software von ADG werde einfach die IP-Adresse des Red-Konnektors eingetragen und einige weitere Parameter anhand der Vorgaben der Gematik eingestellt, dann stehe die Verbindung. ADG benutze sogar Konnektoren desselben Herstellers. Brüggemann ist überzeugt: „Die wollen uns aus den Apotheken rausdrängen.“
Die Leidtragenden dieses Scharmützels sind die Apotheken, die aktuell keine E-Rezepte annehmen können. Nach Angaben von Red Medical sind etwa 40 Apotheken betroffen, die eine ADG Software benutzen. „Das ist für mich auch ein Reputationsverlust“, beklagt der betroffene Inhaber aus Niedersachsen. Er ist sauer auf ADG, weil ihn sein Softwarehaus nicht vorgewarnt habe.
Was die Zusammenarbeit mit Red Medical angeht, ist die Branche gespalten. Pharmatechnik hat den Anschluss von vorherein abgelehnt, ADG offenbar jetzt eine Sperre eingebaut. Mit Noventi und CompuGroup Medical (CGM) laufe die Zusammenarbeit dagegen ohne Probleme, berichtet Brüggemann.
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