Vermeintliches All-inclusive-Paket

Drei Wochen für Widerspruch: CGM will TI-Pauschale

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Berlin -

Das E-Rezept ist auch ein gigantisches Konjunkturprogramm für die IT-Industrie. Nachdem das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beim Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) auf eine monatliche Pauschale umgestellt hat, bietet der Softwarekonzern CompuGroup Medical (CGM) jetzt ein vermeintliches All-inclusive-Paket. Abgedeckt sind vielfach Leistungen, die es noch gar nicht gibt. Den Apotheken wird nicht allzu viel Zeit zum Nachdenken gelassen: Wer nicht innerhalb von drei Wochen widerspricht, wechselt automatisch den Tarif.

Apotheken erhalten laut Schiedsspruch des BMG seit 1. Juli für die TI-Anbindung eine monatliche Pauschale. Diese hängt ab von den jährlich zu Lasten der GKV abgegebenen Rx-Packungen:

  • bis 19.999 Packungen: 198,35 Euro
  • bis 39.999 Packungen: 233,84 Euro
  • ab 40.000 Packungen: 269,32 Euro

Bei den Softwarehäusern geht es nun darum, sich einen möglichst großen Anteil dieses Betrags zu sichern. CGM hat neben den Praxen auch die Apotheken angeschrieben und ihnen ein neues vermeintliches All-inclusive-Paket vorgestellt: „Um Ihnen Investitions- und Kostensicherheit zu geben, bietet CGM ihren Bestandskundinnen und Bestandskunden einmalig die Umstellung vom bestehenden ‚Servicepaket Betrieb‘ auf das CGM TI-Servicepaket plus mit seinen zahlreichen Service-Erweiterungen an“, heißt es in dem Schreiben.

Gebühr verdoppelt sich

Für die Apotheken verdoppelt sich der Betrag, der zu zahlen ist: Zu den aktuell 70 Euro kommen weitere 68,73 Euro netto; dafür seien dann aber „alle zukünftig verpflichtenden und notwendigen Leistungen für die TI-Anbindung inkludiert“, so CGM. Die bisher üblichen einmaligen sowie monatlichen Zusatzzahlungen etwa für Upgrades oder den Austausch von Konnektoren fielen nicht mehr an, schreibt CGM. Und: Die monatliche Gesamtsumme liege immer noch deutlich unter der gezahlten TI-Pauschale.

Allerdings stellen sich Kolleginnen und Kollegen die Frage, was sie an zusätzlichen Services tatsächlich für das Geld bekommen – beziehungsweise welche weiteren Kosten auf sie zukommen, die durch die Pauschale abgedeckt werden müssten. Die bisherige TI-Vereinbarung zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband regelte nicht nur die Erstattung für den TI-Anschluss an sich, sondern auch für die Aufwände, die durch die Nutzung der Fachanwendungen zum elektronsichen Medikationsplan (eMP), der elektronischen Patientenakte (ePa) oder des E-Rezepts entstanden sind.

Kein Nachweis, kein Geld

Dass auch diese Dienste erstattet werden, steht zwar nicht mehr explizit in dem Beschluss des BMG. Aber sie sind Voraussetzung für die Zahlung der Pauschale: Wird für eine der Anwendungen eMP, ePA, E-Rezept oder ab 1. April 2024 außerdem Kommunikation im Medizinwesen (KIM) kein Nachweis erbracht, wird die TI-Pauschale um 50 Prozent gekürzt. Fehlen sogar zwei Anwendungen, wird überhaupt keine TI-Pauschale gezahlt.

Kommen also seitens der Softwarehäuser noch Kosten für die Anwendungen hinzu, könnte die TI-Pauschale schnell aufgebraucht sein. Und tatsächlich räumt CGM selbst ein, dass es über die Warenwirtschaftssysteme weitere neue, womöglich kostenpflichtige Funktionen geben könnte: Mit dem neuen Paket seien Apotheken „bestens vorbereitet, um die bisherig und zukünftig notwendigen Software-Module für T1-Anwendungen bei Ihrem Primärsystemanbieter separat zu beziehen und nutzen zu können“.

Updates plus Hotline

Was also verspricht CGM für das neue Servicepaket? Inkludiert sei die „automatische Bereitstellung der gesetzlich verpflichtenden Konnektor-Schnittstellen für künftige TI-Fachanwendungen über regelmäßige PTV-Upgrades und -Updates, zum Beispiel für die Nutzung von zukünftigen Entwicklungsstufen der elektronischen Patientenakte (ePA-Opt-out)“.

Lösung ohne Konnektor

Ebenfalls enthalten sei die „fortwährende T1-Anbindung über ein Innovationsversprechen, mit dem das künftige Kostenrisiko minimiert wird“. Gemeint ist mit dieser etwas blumigen Formulierung, dass Kunden des Servicepakets Plus bei Ablauf des Konnektor-Zertifikats oder bei einem Defekt des Konnektors „ohne weitere monatliche Zusatzkosten und ohne Kosten für Anfahrt und Dienstleistung“ umstellen können auf „CGM Managed TI“, die Rechenzentrumslösung von CGM. Dies gelte auch außerhalb der Gewährleistungsfrist.

Allerdings profitiert der Konzern davon auch selbst: Während in vielen Arztpraxen die Konnektoren wegen Ablaufs des Zertifikats bereits – kostenpflichtig – ausgetauscht wurden, steht in vielen Apotheken der Ersatz der Geräte noch an. Der Aufwand entfällt durch die Lösung, sodass sich der Konzern die Kosten dafür spart, die er ansonsten im Rahmen der Pauschale selbst hätte tragen müssen.

Ohnehin hatte das BMG nach massiver Kritik des Computermagazins c’t und des Chaos Computer Clubs (CCC) an der Verschwendung von Millionen hier auf eine neue Lösung gedrängt. Die Gematik hatte selbst eingräumt, dass die Technik im Grunde veraltet ist. Bislang war der Anschluss ohne Konnektor vor Ort bei CGM zwar im Bereich Pflege und Hebammen angeboten worden, nicht aber Arztpraxen und Apotheken. Nach erfolgter Zulassung des TI-Gateways ziehen laut Schreiben alle Kundinnen und Kunden des Pakets um.

Auch der Ablauf von Zertifikaten der Kartenterminals (gSMC-KTs) soll künftig kein Problem mehr sein: „CGM informiert Sie proaktiv und sendet Ihnen für alle über CGM bezogenen gSMC-KT-Karten ohne zusätzliche Kosten die notwendigen neuen gSMC-KT-Karten für den Austausch im Kartenterminal zu und erspart Ihnen somit administrativen Aufwand.“

Hilfe rund um die Uhr

Schließlich kündigt CGM die Einrichtung eines „24/7-User-Helpdesks“ an; aktuell ist die DVO-TI-Support-Hotline nur wochentags von 8 bis 18 Uhr besetzt. Allerdings startet das „Rund-um-die-Uhr-User-Helpdesk an sieben Tagen in der Woche“ laut Schreiben erst im kommenden Jahr. Ein Termin wird nicht genannt.

Am konkretesten zu erkennen ist der Vorteil für die Apotheke bei der Umstellung der Rechnungslegung: So will CGM die Pauschale nur noch einmal im Quartal abrechnen, und zwar zum 10. Tag des jeweiligen letzten Monats. „Die neue Abrechnungsmethodik bedeutet weniger administrativen Aufwand für Sie. Zusätzlich verkürzt sich die Zeitspanne Ihrer Rückerstattung durch Ihre Standesvertretung“, so CGM.

Widerspruch bis 25. August

Der Konzern lässt den Apotheken nicht viel Zeit zum Nachdenken: Wer bis 25. August nicht aktiv widerspricht, wird automatisch auf den neuen Tarif umgestellt – und zwar rückwirkend: tun. „Die erste Abrechnung nach der neuen, vierteljährlichen Abrechnungsmethodik erfolgt im September 2023 für die Leistungsmonate August und September“, schreibt CGM.

Genau diese Vorgehensweise ärgert derzeit Kolleginnen und Kollegen, die das Schreiben erhalten haben. Helge Hagedorn, kaufmännischer Leiter der Phoenix-Apotheken in Wolfsburg hat nach eigenen Angaben noch nicht einmal auf Nachfrage von CGM Auskunft darüber erhalten, welche der in der Pauschale enthaltenen Leistungen wann verfügbar sein werden. „Das sind Services, die noch gar nicht stattfinden – also auch Vorteile, die es vielleicht irgendwann in der Zukunft geben wird. Insofern können wir die Umstellung nicht akzeptieren.“ Er befürchtet auch, dass die Pauschale bei höheren tatsächlichen Kosten ganz schnell angepasst wird. „Die vermeintliche Sicherheit bringt uns überhaupt nichts.“

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