Studie sieht Nachholbedarf bei Digitalisierung

Apotheken beraten gut, kommunizieren schlecht

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Berlin -

Neue Vertriebswege, Vernetzung, Kundenkommunikation und Betriebsverwaltung: Digitale Anwendungen sollen nicht nur die eigene Reichweite erhöhen, sondern auch die Effizienz. Doch bis zu diesem Punkt kommen viele Apotheken nicht – denn noch bevor sie den Nutzen digitaler Lösungen einfahren können, scheitern sie mangels Zeit und anderer Ressourcen an der Implementierung digitaler Lösungen. Zu diesem Ergebnis kommt das Forschungsprojekt „Apotheke 2.0“, dass der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) gemeinsam mit Universität Osnabrück angestoßen hat.

Apotheken sind bei der Digitalisierung ihrer Betriebsabläufe bereits sehr weit, müssen aber noch an ihrer Kommunikation arbeiten – sowohl in Richtung der Kunden als auch mit Blick auf die Vernetzung mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens. „Apotheken sind vor allem mit Blick auf ihre Kernkompetenzen sehr gut aufgestellt, etwa beim Medikationsmanagement für die Patienten. Nach außen jedoch, im direkten Austausch mit den Patienten sowie in der Kommunikation mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens ist noch viel Verbesserungspotenzial, indem Apotheken zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Kundenbetreuung digital unterstützt werden“, erklärt Alina Behne, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Unternehmensrechnung und Wirtschaftsinformatik der Universität Osnabrück.

Behne ist Teil des sechsköpfigen Projektteams von Apotheke 2.0, dem Projekt, das die Uni Osnabrück gemeinsam mit dem AVWL und der Gesundheitsregion Euregio betreibt, um zu erforschen, wie durch den Einsatz digitaler Anwendungen die Versorgung der Patienten gesichert und verbessert sowie die Apotheke vor Ort gestärkt werden kann. Es wird im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung (BULE) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert und steht unter der Schirmherrschaft von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

In den vergangenen zwei Jahren hat das Wissenschaftlerteam sowohl auf Apotheken- als auch Kundenseite untersucht, wie es um die Digitalisierung im Apothekenmarkt steht, und ist dabei bisher zu durchwachsenen Ergebnissen gelangt. „Mich hat überrascht, wie stark die Apotheken in den internen Prozessen digital aufgestellt sein können, insbesondere in der Warenwirtschaft und der gesamten Logistik“, erzählt Behne.

Der Echtzeitaustausch mit dem Großhandel, um noch während des Beratungsgesprächs mit dem Patienten unmittelbar Verfügbarkeit und Lieferzeit des verschriebenen Arzneimittels zu klären und dieses direkt zu bestellen, sei so ein Beispiel, Kommissionierer oder automatische Bestellsysteme andere. Dafür gebe es in anderen Bereichen noch großen Nachholbedarf – für den die Apotheken allerdings nicht immer selbst die Schuld tragen.

„Ich sehe viel Verbesserungspotenzial in der bereichsübergreifenden Vernetzung im Gesundheitswesen und somit im Austausch mit dem Patienten und anderen Gesundheitsdienstleistern“, sagt Behne. So sei es ein Problem, dass von den vielen Akteuren im Gesundheitswesen jeder sein eigenes System für Patientendaten nutze. „Und obwohl seit Jahren absehbar war, dass ein Austausch zwischen Akteuren wie Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten, Apotheken und Pflegediensten im Sinne der Patientensicherheit erforderlich ist, gibt es diesen noch immer nicht.“

Es liege allerdings weniger an den Leistungserbringern selbst als vielmehr in der bestehenden IT-Infrastruktur begründet, dass nicht ein einheitliches System für alle Akteure entwickelt wurde, sondern sich viele verschiedene Insellösungen durchgesetzt haben. In denen seien Schnittstellen zwar grundsätzlich programmiert, erforderliche Anpassungen bei der Anbindung neuer Systeme im Einzelfall müssen aber von den Akteuren teuer bezahlt werden.

Auch würden bei aktuellen Planungen eines einheitlichen Systems teilweise nicht alle Gesundheitsdienstleister wie Apotheker oder Pflegedienste beachtet. Zudem gestalte sich die Softwareentwicklung problematisch, da sie häufig noch sukzessiv, beispielsweise nach dem Wasserfallmodell ablaufe – also zum Start der Entwicklung ein Plan aufgestellt und dann abgearbeitet wird. „Moderne Methoden sind agil, sodass Systeme flexibel an neue Anforderungen und Kundenbedürfnisse angepasst werden können.“

Als Apotheker könne man bei solchen Versäumnissen der Softwarehäuser wenig machen. „Das ist eine Aufgabe für die Entwickler, für die Politik und die Unternehmen, die Ausschreibungen formulieren.“ Was Apotheken jedoch machen könnten: die Herausforderung angehen, indem sie immer wieder neue, vielversprechende Vernetzungsplattformen ausprobieren, auf die anderen Akteure zugehen und auf Möglichkeiten hinweisen. Doch das sei eben nicht immer so einfach: „Um die Digitalisierung voranzutreiben, wird zunächst eine hohe Aktivierungsenergie benötigt, danach aber folgt die Ressourceneinsparung durch einen erleichterten Prozess“, erklärt Behne. Dieser Punkt müsse den Akteuren bewusst sein. „An dem anfänglichen Mehraufwand scheitern viele Vorhaben, was wir auch bei Apotheke 2.0 erfahren mussten.“

So habe sie versucht, durch eine gemeinsame Plattform, die eine vereinfachte Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren ermöglichen sollte, die Versorgung von Palliativpatienten verbessern. „Das Projekt aber konnten wir nicht in der Praxis umsetzen, weil einigen Akteuren die Zeitressourcen für den Start fehlten. Eine Förderung für solche digital unterstützten Maßnahmen besteht zwar, jedoch ist der Aufwand laut der Apotheker nicht verhältnismäßig – weshalb dieser Aspekt von Seiten der Politik überdacht werden könnte.“

In der Tat seien solche Veränderungen zu Beginn aufwendig, auf Dauer aber würde sich die anfängliche Investition von Zeit- und Personalressourcen lohnen, weil die Digitalisierung die Prozesse vereinfachen und beschleunigen kann. Die digitale Unterstützung schaffe Wettbewerbsvorteile, da Zeit meist eingespart und eine Alternative für digital affine Personen geschaffen und somit das Kundensegment erweitert werde. „Die Apotheker, die ich als offen gegenüber neuen Technologien und Ideen wahrnehme, müssen den anderen Akteuren immer wieder aufzeigen, dass digital unterstützt eine bessere Zusammenarbeit stattfinden kann: Die enge Vernetzung zwischen Ärzten, Kliniken, Pflegediensten sollte auch hierzulande so gelebt wird wie in anderen Ländern, Großbritannien zum Beispiel.“

Diese höhere Effizienz und Vereinfachung von Abläufen sei letztlich auch mit Blick auf die Kunden von Bedeutung. Die seien zwar laut einer Befragung, die das Projekt im ersten Halbjahr 2020 durchgeführt hat, generell zufrieden mit den Leistungen der Apotheken. „Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Kunden sehr effizient denken: Sie wollen keinen zusätzlichen Aufwand, sondern meist den für sie bequemsten Weg gehen.“

So würden sie nicht zwei Mal wegen ein- und desselben Medikaments in die Apotheke vor Ort kommen wollen, zur Vorbestellung und zur Abholung. Deshalb seien für die Kunden vor allem digitale Services spannend, die ihnen die Abläufe vereinfachen, wie etwa Online-Bestellungen, Botendienste, E- Medikationspläne. „Das müssen die Apotheken bedenken.“

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